Seite - 94 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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Wir gehen wohl nicht allzu falsch in der An-
nahme, dass seit Juni 1889 von seiten des Minis-
teriums, des Finanziers des Denkmals, ‚sanfter‘
Druck auf den Künstler – und in weiterer Folge
wohl auch auf die Comité-Mitglieder – ausgeübt
wurde. Nur so lässt sich erklären, dass von nun
an nur mehr von der Standbildgruppe die Re-
de ist; nur so lassen sich auch Widersprüche im
Schlussprotokoll zu den Einzelprotokollen der
vorangegangenen Sitzungen erklären.
Ende des Jahres traten die Planungen in die
entscheidende Schlussphase. Kundmann hatte am
26. November persönlich die 3 Denkmal-Entwür-
fe in der archäologischen Sammlung der Universi-
tät aufgestellt.18 Bereits am Tag danach jedoch ließ
er das neue Modell, das er für die sichere Größen-
bestimmung der beiden Hermen in seinem Atelier
brauche, damit ich die Wirkung im Zusammenhang
studiren kann,19 wieder aus der Sammlung abho-
len. Am 6. Dezember war Kundmann mit seinen
Entwurfsarbeiten schließlich fertig und hatte das
umgearbeitete neue Projekt wieder in der archäo-
logischen Sammlung zur Aufstellung gebracht.20
Die endgültige Entscheidung über das Denk-
mal fiel in zwei Sitzungen. In der letzten Sitzung
des ‚artistischen Comités‘ am 15. Dezember 1889
präsentierte Kundmann dieses neue Modell, wel-
ches in der Mitte die Statue des Grafen Thun, in
zwei Seitenflügeln die Büsten Exners und Bonit-
zens in Hermenform darstellt. Ohne sich auf ei- ne neuerliche Diskussion einzulassen, erklärte La-
tour daraufhin, daß das Modell bei weitem mehr
entspricht als das frühere und auch den Intentio-
nen Seiner Excellenz des Herrn Ministers entspre-
chen dürfte. Er verspricht hierüber Seiner Excellenz
zu berichten und dessen Entschließung mitzutheilen.
Auf Antrag Exners erklärte sich das Komitee mit
diesem neuen Modell einverstanden.21 Wie zu er-
warten war, wurde diese Ansicht auch in der Sit-
zung des Gesamtkomitees, in welcher das neue
Modell Kundmanns ausgestellt war, am Sonntag,
12. Jänner 1890, vom artistischen Ausschuss ver-
treten und von allen Anwesenden einstimmig an-
genommen.22 Aus dem Protokoll dieser Sitzung
geht überdies hervor, dass sich dieses neue Mo-
dell Kundmanns von dem früheren dadurch unter-
scheidet, daß die im Gebäude an jener Stelle vorhan-
denen Nischen für das Denkmal benutzt werden.
Erstmals wurde in dieser Sitzung auch die
Frage des Zeitpunkts der Fertigstellung behan-
delt, denn Hartel, dem sich Benndorf und Bor-
mann anschlossen, hatte die Idee ausgesprochen,
die Enthüllung des Denkmals mit der etwa für das
Jahr 1893 geplanten Versammlung der deutschen
Philologen und Schulmänner in Wien in Verbin-
dung zu bringen. Und da der Künstler, der nicht
an alle Einzelheiten des Modells gebunden war,
für die Ausführung drei Jahre berechnete, war ei-
ne Verbindung der zwei Ereignisse durchaus na-
heliegend und sinnvoll.23
hubert d.
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förderung“ vom 27. November 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 650/2-8).
20 Brief Kundmanns aus Wien an Miklosich, 11. Dezember 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 135/132-4).
21 Zusammengestellt nach Protokoll VII der Sitzung vom 15. Dezember 1889 (ÖSTA, AVAFHKA, CUM, U-Präs. 122
ex 1890, Beilage).
22 Dass im Vorfeld dieser entscheidenden Sitzung mit dem Ministerium und wohl auch unter den Komitteemitglie-
dern das Einvernehmen gesucht wurde, darüber legt ein Schreiben von Miklosich aus Wien an Benndorf vom 10.
Jänner 1890 (ÖNB, HAD: Autogr. 653/3-3) beredtes Zeugnis ab: „Ein Schreiben Kundmann’s lässt mich vermuthen,
dass der Minister dem geänderten Modell zustimmt: ist diese Vermuthung richtig ? Wenn ja, will ich für Sonntag
den 12. d[ieses Monats], 12 Uhr, das (große) Denkmahl-Comité [sic] zu einer Sitzung berufen und zwar im archäo-
logischen Museum. In dieser Sitzung würden Sie namens des artistischen Comités den Antrag stellen, dass das
Denkmahl-Comité [sic] seine Zustimmung ausspreche. Wollen Sie gütigst mir durch die Überbringerin mittheilen,
ob Sie mit diesen Anordnungen einverstanden sind.“
23 Protokoll VIII der Sitzung vom 12. Jänner 1890 (ÖSTA, AVAFHKA, CUM, U-Präs. 122 ex 1890, Beilage).
24 ÖSTA, AVAFHKA, CUM, U-Präs. 122 ex 1890.
25 Vgl. die Berichte vom 20. November 1890 (ÖSTA, AVAFHKA, CUM, U-Präs. 2138 ex 1890), 28. Februar (ÖSTA,
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken