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weitere denkmäler im südlichen oktogon
Kurt Mühlberger hat die Thun-Exner-Bonitz-
Denkmalgruppe vor Kurzem als „monumentale
Gruppe der Wiener Universitätsreformer“43 be-
zeichnet, und Thomas Maisel hat sie etwa zur
gleichen Zeit als „universitätspolitisches Be-
kenntnis“44 gewertet. Mit Verweis auf das be-
reits Dargelegte und mit Hinweis auf das hinter
dem Denkmal stehende Komitee sowie die In-
schrift selbst scheint mir diese universitätspoliti-
sche Dimension zu eng begriffen. Diese Gruppe
ist mehr. Sie ist ein Denkmal für die beispiellose
Entfaltung des gesamten Unterrichtswesens nach
1848, für Universitäten und Gymnasien glei-
chermaßen, ist Ausdruck eines allgemeinen bil-
dungspolitischen Anspruchs, der sich auch aus
den Eröffnungs- und Schlussreden der 42. Ver-
sammlung deutscher Philologen und Schulmän-
ner deutlich herauslesen lässt.
Dafür sprechen meines Erachtens auch die
weiteren Denkmälerweihungen, die in den
nächsten Jahren dieses Oktogon füllen.
Der erste, der hier dazustieß – am 4. Juli 1897 –,
war der im März 1891 verstorbene Franz von
Miklosich. Adolf Exner hatte eine Büste für ihn
beantragt, die hier aufgestellt werden sollte, um
die Zugehörigkeit des Prof. Dr. Miklosich zu den
Gelehrten Thun, Exner u[nd] Bonitz zu documen-
tiren.45
Carl von Rokitansky kam am 5. Juni 1898 da-
zu. Er war Professor für pathologische Anatomie,
unbedingter Unterstützer der Thun’schen Refor-
men,46 mehrfacher Dekan, erster frei gewähl- ter Rektor 1852/53 und langjähriger Präsident
der Akademie der Wissenschaften. Dem Akt im
Universitätsarchiv ist zu entnehmen, dass er der
Thun’schen Periode angehört, sich vielfach um
den Unterricht verdient gemacht hätte und sei-
ne Verdienste durch die Aufstellung der Büste ne-
ben Thun-Exner-Bonitz am besten gewürdigt wür-
den.47
Zuletzt wurde am 9. Juli 1899 das Relief des
auf einem Sessel sitzenden Leopold Hasner von
Artha hier angebracht, nachdem sich das bean-
tragende Komitee mit gutem Grund für den
Standort neben dem bereits bestehenden Thun-
Hohenstein-Denkmal entschieden hatte. Thun-
Hohenstein hatte Hasner „1849 eine eigens für
ihn geschaffene außerordentliche Professur für
Rechtsphilosophie“48 in Prag angeboten. 1867–
1870 war er als Minister für Cultus und Unter-
richt verantwortlich für die Erlassung des Reichs-
volksschulgesetzes und damit in gewissem Sinne
Fortsetzer des Thun’schen Reformprozesses.
Innerhalb weniger Jahre haben sich da-
mit um die Thun-Hohenstein-Gruppe wei-
tere Denkmäler versammelt, die alle mit den
bildungspolitischen Reformen Thun-Hohen-
steins in Verbindung zu bringen sind. Diese
Denkmäler in der südwestlichen Ecke des Ar-
kadenhofes stellen damit ein Ensemble des aus-
gehenden 19. Jahrhunderts dar – bestehend aus
einer Statue, vier Büsten und einem Relief –,
das auf die bildungspolitischen Weichenstellun-
gen der Mitte des 19. Jahrhunderts verweist –
Das Thun-ExnEr-BoniTz-DEnkmal im arkaDEnhof DEr univErsiTäT WiEn 101
44 Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze (zit. Anm. 6), S. 16.
45 UAW, AAK S 95/9. Dazu muss man wissen: Miklosich war 1849 auf Antrag Thuns, eines überzeugten Förderers
philologischer Studien, zum ersten Professor für slawische Philologie an der Universität Wien ernannt worden und
stand Bonitz und Exner freundschaftlich sehr nahe. Vgl. auch den Beitrag von B. Murovec in diesem Band.
46 Vgl. G. Winckler, Carl von Rokitansky als Rektor der Wiener Universität, in: Carl Freiherr von Rokitansky 1804–
1878. Pathologe, Politiker, Philosoph, Gründer der Wiener Medizinischen Schule des 19. Jahrhunderts (hrsg. von H.
Rumpler/H. Denk), Wien u. a. 2005, S. 45–50.
47 UAW, AAK S 95/19.
48 H. L. Mikoletzky, Hasner Ritter von Artha, Leopold, in: Neue Deutsche Biographie 8, Berlin 1969, S. 38.
49 Ich danke Herrn Kollegen W. Krause für seine Expertise nach Autopsie während der Scholars’-Monuments-Tagung.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken