Seite - 126 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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stätigte diese Aufträge, obwohl er bis zu diesem
Zeitpunkt keine Bescheinigung durch die Deka-
nate über deren jüdische Abstammung erhalten
hatte. Eine Steinmetzfirma montierte in den Ta-
gen unmittelbar vor der Langemarck-Feier am 11.
November die Denkmäler ab und lagerte sie in
Depoträumen des Hauptgebäudes ein. Erst eini-
ge Wochen danach wurden auch die Sockel und
Postamente abgetragen und weggeräumt.36
In dem Bericht der Gebäudeinspektion wer-
den fünfzehn demontierte Denkmäler aufgelistet,
wobei auffallend ist, dass das Denkmal für Carl
Menger dort nicht aufscheint, sehr wohl jedoch
das für seinen Bruder Anton.37 War dies lediglich
ein Versehen oder befand sich das Denkmal für
den berühmten Nationalökonomen zur Zeit der
Langemarck-Feier tatsächlich noch im Arkaden-
hof? Es muss während der NS-Herrschaft ent-
fernt worden sein, da es nach 1945 bei den wie-
der aufgestellten Denkmälern genannt wird.38 Es
gibt im Bestand des Universitätsarchivs jedoch
keine weiteren Dokumente, welche die Frage
des genauen Zeitpunkts klären könnten. Belegt
ist hingegen die Tatsache, dass es auch nach der
Denkmalsdemontage vom November 1938 in der
Professorenschaft Zweifel an der jüdischen Ab-
stammung der Familie Menger gab. Der kom-
missarische Dekan der rechtswissenschaftlichen
Fakultät legte am 14. November 1938 Schriftstü-
cke vor, die bereits im Zusammenhang mit der
Aufstellung des Denkmales von Carl Menger im
Jahr 1928 entstanden waren und die dessen „ari-
sche“ Abstammung belegen sollten.39 Dies wirft
ein weiteres Schlaglicht auf das von Antisemitis- mus geprägte Klima an der Universität zur Zeit
der Ersten Republik: Aus Sorge davor, mit der
Errichtung eines Denkmals für einen mögli-
cherweise jüdischen Professor Ausschreitungen
deutschvölkischer Studenten zu provozieren, hat-
te man Belege gesammelt, welche eine „arische“
Abstammung des Geehrten nachweisen und „fal-
sche Gerüchte“ widerlegen sollten. Rektor Knoll
fürchtete daraufhin, möglicherweise selbst einen
Fehler begangen zu haben, und betraute das Amt
für Sippenforschung der NSDAP mit weiteren
Nachforschungen zur Abstammung der Familie
Menger.40 Obwohl das Rektorat sogar bereit war,
die Kosten der erforderlichen Archivrecherchen
zu übernehmen, blieb die Anfrage jedoch ohne
Erledigung.41 Es handelt sich in diesem Zusam-
menhang um den einzigen dokumentierten Fall,
in dem bei Denkmälern tatsächlich amtliche Er-
hebungen zur möglichen jüdischen Abstammung
der Geehrten eingeleitet wurden.
Das Beispiel Menger belegt die Sorge des
Rektors und mancher Professoren um die
Traditionen der Universität, mit denen man in
einer Zeit des Umbruchs nicht leichtfertig um-
gehen wollte, weil sie einen wesentlichen Teil ih-
res „symbolischen Kapitals“ bildeten.42 Ähn liche
ebenso erfolglose Interventionen wie im Falle
Menger gab es bei den Denkmälern für Julius
Wiesner und Eduard Suess. Letzteres musste auf
Druck der Studentenführung aus den Räumen
des Geologischen Instituts entfernt werden.43
Schon zuvor war das Denkmal für den Che-
miker und Pharmazeut Josef Herzig im alten
Chemiegebäude abgetragen worden.44
thomas
maisel126
36 UAW, Bericht der Universitäts-Gebäude-Inspektion vom 24. 11. 1938, Senat G.Z. 1250 aus 1937/38, ONr. 13.
37 UAW (zit. Anm. 36).
38 UAW, Wiederaufstellung der im Jahr 1938 aus den Arkaden entfernten Denkmäler, Senat G.Z. 454 aus 1944/45.
39 Vgl. dazu den Schriftverkehr in UAW, Senat G.Z. 184 aus 1938/39, ONr. 7.
40 UAW, Schreiben von Rektor Fritz Knoll an das Sippenamt der Gauleitung Wien der NSDAP vom 25. 11. 1938, Senat
G.Z. 184 aus 1938/39, ONr. 8.
41 UAW, Senat G.Z. 184 aus 1938/39, ONr. 9 u. 12–13.
42 Müller, Dynamische Adaptierung (zit. Anm. 7), S. 599.
43 UAW, Dekanat der phil. Fakultät, D.Zl. 1278 aus 1937/38.
44 UAW (zit. Anm. 31).
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken