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Unruhen manifestierte, änderte sich auch die
Einstellung zur Ehrung einzelner Personen. In
den 1960er- und 70er-Jahren war der Struktu-
ralismus en vogue und in den Geistes- und Ge-
schichtswissenschaften standen nicht mehr die
einzelnen Akteure und deren Biografien im Zen-
trum der Forschung, sondern strukturalistische
Erklärungsversuche.19 Der Zweifel an den Ein-
flussmöglichkeiten und der moralischen Integri-
tät des Individuums wirkte sich ebenso negativ
auf die Ehrung herausragender Persönlichkeiten
aus wie die ideologischen Kämpfe, die innerhalb
der Universität ausgefochten wurden.
Symptomatisch ist die Sitzung der Kunst-
kommission am 28. November 1973. Zu verhan-
deln waren zwei Anträge zur Errichtung eines
Denkmals für den Philologen Fürst Nikolai
Sergejewitsch Trubetzkoy (1890–1938) und für den Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (1886–
1961).20 Den Vorsitz hatte in schöner Traditi-
on der inzwischen 71-jährige Ordinarius für
Kunstgeschichte Otto Demus (1902–1990), der
schon 20 Jahre zuvor beim Denkmal für Hein-
rich Lammasch den Künstler auswählen durf-
te. Ebenfalls vom Institut für Kunstgeschichte
waren anwesend Gerhard Schmidt (1924–2010),
dem in dieser Sitzung der Vorsitz der Kunstkom-
mission übertragen wurde, und Renate Wagner-
Rieger (1921–1980) sowie als Künstlerischer Bei-
rat der Architekt Ernst Hiesmayr (1920–2006),
der zu dieser Zeit mit der Planung und dem Bau
des Juridicums der Universität Wien beauftragt
war, und der Künstler Ferdinand Welz (1915–
2008). Die Sitzung ist leider nicht im Wortlaut
überliefert, im Protokoll ist nur vermerkt, dass
es eine „lebhafte Debatte“ war, in deren Verlauf
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19 J. Eckel, Der Sinn der Erzählung. Die narratologische Diskussion in der Geschichtswissenschaft und das Bei-
spiel der Weimargeschichtsschreibung, in: J. Eckel/Th. Etzemüller (Hg.), Neue Zugänge zur Geschichte der
Geschichtswissenschaft, Göttingen 2007, S. 201–230, hier S. 204 f.
20 UAW Senat S 222.51.
Abb. 12: Alfred Hrdlicka, Denkmal für Ignaz Philipp Semmelweis im Arkadenhof der Universität Wien/Porträtlithogra-
fie von Semmelweis.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken