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Ihre Vertreter sahen sie vor allem mit dem Ka-
tholizismus und der Monarchie verbunden, ei-
nem Gesellschaftssystem, das im Widerspruch
mit den Werten einer protestantischen Republik
stand. Stärker als die religiösen waren vielleicht
die moralischen Hindernisse: Das bildhauerische
Porträt galt als hochmütig, was eine besonders
negative Eigenschaft im Calvinismus war.3
Es gab auch konkrete politische Motive. Die
Regierungsform war eine maskierte, aber strenge
Oligarchie.4 Fassaden ohne Skulpturen und Plät- ze ohne Monumente konnten die politischen
Ungleichheiten verdecken und somit den sozi-
alen Zusammenhalt bewahren.5 In diesem Kon-
text wurde das Fehlen von Denkmälern positiv
betrachtet, da es mit dem Mythos einer Vergan-
genheit von Bescheidenheit und Einfachheit ver-
bunden schien: „La simplicité et la modestie de
nos aïeux“ sind Werte, auf die sich die Regie-
rung oft berief, um sich Denkmälerprojekten zu
widersetzen.6
grégoire
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3 Beispielsweise die Schwestern Henriette und Jeanne-Françoise Rath gaben ihr Vermögen und das von ihrem Bruder
Simon Rath an die Stadt Genf, um ein Museum einzuweihen, aber wollten keine Hommage – weder schriftlich
noch künstlerisch – für diese Spende: „Mais je dois vous prier, au nom de ma sœur comme du mien, de nous écarter
tout à fait de tous les honneurs qui doivent être rendus au donateur et fondateur du Musée: c’est notre désir sincère,
notre volonté positive de ne point paraître dans aucune inscription“. (Brief von Henriette Rath an Augustin-Pyrame
de Candolle, 11 Mai 1826), in: N. Etienne/V. Chenal, Les demoiselles Rath & l’institution artistique à Genève
autour de 1800, in: Post tenebras luxe (hrsg. von D. Bernardi), Genève 2009, S. 66–87, 70 (zahlreiche soziale Über-
legungen sind hier behandelt).
4 C. Montandon, Le développement de la science à Genève aux XVIIIe et XIXe siècles. Le cas d’une communauté
scientifique, Vevey 1975, S. 22–23.
5 Buyssens, La question de l’art (zit. Anm. 1), S. 105–107.
6 Das Argument der Bescheidenheit wird aufgerufen, z.B. gegen das erste Rousseau-Denkmalprojekt 1791 (ebenda,
Abb. 1: Orangerie, 1817–1818. Genf, Parc des Bastions.
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Buch Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken