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– Bonnet war fast blind – und in der Hausklei-
dung des Porträtierten widerspiegelt.19 Das zwei-
te Porträt ist tatsächlich von Houdon: Es han-
delt sich um eine Kopie seiner berühmten Büste
von Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), der hier
als Schriftsteller dargestellt wird.20 Diese beiden Büsten sind die einzigen skulpturalen Darstel-
lungen von Zeitgenossen in der akademischen
Bibliothek vor der Französischen Revolution. Ih-
nen gegenüber findet man einige antike Büsten-
kopien sowie eine Vielzahl von Gemälden.
neue begeisterung für skulptur im xix. jahrhundert
Nach der Revolution und dem Genfer Anschluss
an Frankreich (1798–1814) verstärkte sich das In-
teresse der Patrizier an Skulptur und italienischer
Kunst. Der Finanzier Jean-Gabriel Eynard (1775–
1863) ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung:
Als überzeugter Bonapartist bereicherte er sich
in der Toskana unter Napoleons Schwester Elisa
Baciocchi und ließ sich in Genf ein Haus bau-
en, das erste, das man Palais nannte.21 Der Flo-
rentiner Giovanni Salucci (1769–1845) zeichne-
te die ersten Pläne und der ebenfalls aus Florenz
stammende Bildhauer Lorenzo Bartolini (1777–
1850) schuf einige Statuen für die Innendekora-
tion.22 Mehr als Bartolini setzte allerdings Anto-
nio Canova neue ästhetische Normen innerhalb
dieser internationalen Strömung. Die Genfer Pa-
trizier begeisterten sich für seine Arbeiten und
boten ihm die Mitgliedschaft der Genfer Société
des Arts an.23 Für diese Institution wurden Gips-
kopien der „Drei Grazien“ und der „Tänzerin“
erworben und der Künstler selbst steuerte dazu
eine Kopie seiner „Venus Italica“ bei.24 Auch in
den Patrizierhäusern fanden sich Marmorkopi- en, so z. B. in der Villa von François Bartholoni
am Genfer Seeufer mit vier Statuen.25 Zu guter
Letzt gelang Guillaume Favre 1823 in Neapel ein
James Pradier und die Hommage an die genfer elite 275
19 C. Fontaine-Borgel, A la mémoire du sculpteur Jean Jacquet: 1754–1839, Genève 1887, S. 18–20. Der Autor ver-
gleicht Jacquets Büste zu Greuze, Reynolds, Pigalle und Houdon, was ihre Abhängigkeit vom Französischen künst-
lerischen Milieu beweist.
20 Man erkennt Rousseaus Porträt in einem der Gemälde von Jean-Jacques Dériaz, siehe. P. Monnoyeur, Du galetas
(zit. Anm. 16), S. 76.
21 Über Eynards Tätigkeit in Italien siehe E. Chapuisat, Jean-Gabriel Eynard et son temps, Genève 1952, S. 22–39,
aber vieles ist noch unbekannt. Über Eynards Palais siehe A. Corboz, Le palais Eynard à Genève: un „design“ ar-
chitectural en 1817, in: Genava, 23, S. 195–275.
22 G. Extermann, Attività di Lorenzo Bartolini in Svizzera, in: Neoclassico, 27–28, 2005 (2007), S. 44–89.
23 Lapaire, La sculpture à Genève (zit. Anm. 1), S. 104.
24 P.-A. Guerretta, Pierre-Louis De la Rive ou la belle nature: vie et oeuvre peint, Genève 2002, S. 117.
25 Die Kopien sind Pauline Bonaparte, Amor und Psyché, Hebe aus dem Modell von Forlì und die Danzatrice, siehe J.-J.
Rigaud, Renseignements sur les beaux-arts à Genève, Genève 1876, S. 356–357.
Abb. 8: Barthélémy Menn, Guillaume Favre, 1845 ca.,
Holzmalerei. Genf, Bibliothèque de Genève, inv. 0086.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken