Seite - 287 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Bild der Seite - 287 -
Text der Seite - 287 -
UNBEQUEMER GELEHRTER, EINGEHEGTES GENIE?
EINE BÜSTE FÜR GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ IM
AUGUSTEUM DER UNIVERSITÄT LEIPZIG
Silvia Schmitt-Maass
Beim Festumzug zur Jubiläumsfeier der
Uni-versität
Leipzig im Jahr 1909 mimten Stu-
denten in Kostümen und Allongeperücken
Gottfried Wilhelm Leibniz’ Abreise aus seiner
Heimatstadt (Abb. 1). Denn 1666 verwehrte die
Universität Leipzig dem damals Zwanzigjährigen
die Promotion. Dieses Faktum geht auf Zeug-
nisse von Leibniz zurück, in welchen Biografen
Anlass für Spekulationen und Legendenbildun-
gen um den Weggang dieses wohl berühmtesten
Studenten der Leipziger Universität sahen. Die
nachgestellte Szene ist als Seitenhieb auf die da-
malige universitäre Praxis zu verstehen. Aus wis-
senschaftshistorischer Perspektive entbehrt „die
Auffassung, Leibniz […] sei abgeschreckt vom
sterilen Traditionalismus der Universität aus sei-
ner Heimatstadt vertrieben worden, [allerdings]
[…] der dokumentierbaren Grundlage.“1
Um sein Studium zu vollenden, wandte sich
Leibniz der Universität Altdorf zu und kehr-
te nicht nach Leipzig zurück. Dennoch gibt es
bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Versuche, Leibniz ebendort eine ideelle Heimat
zu geben. Dabei wirkte Johann Christoph Gott-
sched wegweisend, indem er ein Leibniz-Denk-
mal vorschlug. Obwohl sich der kursächsische
Gesandte und Mäzen Christian Wolffs, Graf
Ernst Christoph von Manteuffel, dafür interes-
sierte, kam es über Entwürfe nicht hinaus. Erst
ein Jahrhundert später wurden Bildnisse ver-
wirklicht.
Dieser Beitrag soll erweisen, dass bereits
Gottscheds Denkmalpläne das Gedankengut
und die Verdienste von Leibniz würdigten und
einer Leibniz-Rezeption an der Universität Leip-
zig den Weg wiesen. Insbesondere bauliche Neu-
organisationen führten zu verspäteten Ehrungen
in der Aula des Universitätshauptgebäudes, wel-
che Merkmale einer universitären Ehrenhalle
aufwies. Die Auseinandersetzung mit der Plat-
zierung der Leibnizbüste soll erhellen, inwiefern
ihre Präsenz das Selbstverständnis der Universi-
tät innerhalb dieses Raumes unterstrich oder ob
sie sogar zeitweise konterkarierend wirkte.
gottscheds leibniz um 1746
Johann Christoph Gottsched kommt allem An-
schein nach als Hauptinitiator des Festaktes zum 100. Geburtstag von Leibniz in Frage. Schließ-
lich ist verbrieft, dass er 1746 in der Bibliothek
1 Der junge Leibniz und Leipzig. Ausstellung zum 350. Geburtstag von Gottfried Wilhelm Leibniz im Leipziger Alten
Rathaus (hrsg. von D. Döring, Ausstellungskatalog Leipzig, Rathaus der Stadt Leipzig), Berlin 1996, S. 15, sowie S.
92–93.
zurück zum
Buch Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken