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GELEHRTENGEDENKEN IN DER
UNIVERSITÄTSSTADT GIESSEN*
Sigrid Ruby
Wer heute nach Gießen fährt, sei es auf
der Straße oder mit der Eisenbahn, wird
über das Ortsschild oder die Lautsprecherdurch-
sage darüber belehrt, in eine „Universitätsstadt“
gekommen zu sein. Tatsächlich hat das abseits
der Metropolen im ländlichen Mittelhessen ge-
legene Gießen eine lange Tradition nicht nur als
Hauptstadt der Provinz bzw. des Regierungsbe-
zirks, sondern auch als Sitz einer Volluniversi-
tät, die immerhin schon 1607 gegründet wur-
de. Heute ist die Justus-Liebig-Universität die
bedeutendste Arbeitgeberin der Stadt, und die
Studierenden aller fünf Gießener Hochschu-
len machen fast die Hälfte der mittlerweile gut
80.000 Einwohner aus. Die Stadt hat damit die
unter Umständen höchste Studierendendich-
te in der Bundesrepublik Deutschland. Mit
Fug und Recht, so scheint es, preist sich Gie-
ßen als „Universitätsstadt“ und leitet demnach
seine Identität maßgeblich von der Hochschu-
le ab. Unweigerlich stellt sich hier die Frage, in-
wiefern die Universität tatsächlich das semanti-
sche Gefüge der Stadt bestimmt und in ihrem
Erscheinungsbild ästhetisch erfahrbar wird. Wie
steht es insbesondere um die Gelehrtenmemoria
an einem solchen Standort mit seiner qua Uni- versität nachgerade institutionalisierten Gelehr-
tenschaft?
Diese Fallstudie stellt wesentliche Aspek-
te und Monumente des Gelehrtengedenkens in
Gießen von der Frühen Neuzeit bis in die Ge-
genwart vor bzw. führt sie erstmals in diachroner
Perspektive zusammen.1 Die Synopse erlaubt es,
ein Set von Fragen struktureller Art zu konturie-
ren. Deren vertiefende Diskussion erfordert al-
lerdings den Vergleich und folglich die Hinzu-
ziehung weiterer Fallstudien, die den Umgang
mit der ‚beweglichen Masse‘ Gelehrtenmemo-
ria in anderen (europäischen) Universitätsstäd-
ten untersuchen. So ist zu fragen, wie sich das
Gelehrtengedenken in Gießen seit dem frühen
17. Jahrhundert veränderte und welche epochen-
spezifischen Merkmale dabei hervortreten, so-
dass im Gegenzug besondere, unter Umständen
ortstypische Qualitäten benannt werden kön-
nen. Wann gab es ein gesteigertes Denkmalbe-
dürfnis, wann nicht, und was waren jeweils die
Gründe? Welche Rolle spielten und spielen Spe-
zifika des Ortes, die Topografie und binnen-
räumliche Struktur der Stadt? Welche Medien,
Gattungen und Gestaltungselemente wurden
und werden bevorzugt eingesetzt? Welche Insti-
* Ich danke nachdrücklich der Gießener Historikerin und Journalistin Dagmar Klein M. A. für überaus wertvolle
Hinweise zum Thema, für die Bereitstellung von Bildern und Dokumenten und ihren kritischen Sachverstand.
1 Eine wissenschaftlich grundierte Zusammenschau der Gelehrtenmemoria in Gießen existiert bislang nicht. Auf
einschlägige Studien zu den hier vorgestellten Bildnissen, Denkmälern und Monumenten wird – sofern vorhanden
– an den entsprechenden Stellen verwiesen.
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Buch Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken