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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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preis nominiert wurden. Schon 1913 wurde Lise Meitner als erste Frau Mitglied der Kaiser-Wil- helm-Gesellschaft, was in etwa der Stellung ei- nes Akademiemitglieds entsprach. Von 1918 bis 1938 war sie Leiterin der physikalisch-radioak- tiven Abteilung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie. In den Zwanzigerjahren erklomm sie stetig die Karriereleiter, jedoch immer einige Stu- fen und Jahre hinter den männlichen Kollegen zurück. Wie hoch ihr Ansehen in den ersten Jah- ren ihres wissenschaftlichen Wirkens gestiegen war, ist u.a. daran ablesbar, dass Albert Einstein sie „unsere Marie Curie“ nannte. 1933 endete jäh ihre wissenschaftliche Kar- riere. Trotz eines Protestbriefes von Otto Hahn wurde auch ihr die Lehrbefugnis wegen ihrer jü- dischen Herkunft entzogen, wie tausenden an- deren Wissenschaftlern und Wissenschaftlerin- nen. Bis 1938 konnte sie jedoch ihre Arbeit am (nicht staatlichen) Kaiser-Wilhelm-Institut mit Otto Hahn und dem Chemiker Fritz Straß- mann an Bestrahlungsexperimenten mit Neu- tronen fortsetzen. Erst durch den sogenannten „Anschluss“ von Österreich verlor sie ihren Sta- tus als Ausländerin und galt nun als „deutsche Jüdin“ und ihr Leben war in Gefahr. Im Som- mer 1938 organisierten daher ihre Freunde zu- sammen mit ausländischen Kollegen ihre Flucht nach Stockholm. Sie hatte anderthalb Stunden Zeit, um zu packen und um Deutschland nach 31 Jahren zu verlassen. Hahn und Straßmann setzten die Forschun- gen ohne sie fort. Doch als ihre Experimen- te Ergebnisse erbrachten, die sie nicht zu deu- ten wussten, bat Otto Hahn in einem Brief Lise Meitner: „Vielleicht kannst Du irgendeine phan- tastische Erklärung vorschlagen.“1 Und Lise Meitner leitete gemeinsam mit ih- rem Neffen Otto Robert Frisch die Veränderung des Urankerns aus dem sogenannten Tröpfchen- modell des Atomkerns ab, berechnete die freige- setzte Energie und deutete damit erstmalig theo- retisch und kernphysikalisch die Atomspaltung, wobei sie den Begriff „Kernspaltung“ in den wis- senschaftlichen Diskurs einbrachte.2 Otto Hahn wurde für diese Entdeckung mit dem Nobelpreis geehrt, eine Auszeichnung, die zweifellos auch Lise Meitner verdient hät- te. Fünfmal wurde sie für den Nobelpreis vor- geschlagen, aber niemals berücksichtigt. Unsere Hochachtung vor der Lebensleistung von Lise Meitner kommt aber auch daher, dass sie nicht bereit war, in die USA zu gehen, um an der Ent- wicklung der Atombombe mitzuwirken, obwohl sie in ihrem schwedischen Exil weitgehend al- ler Experimentiermöglichkeiten beraubt war. Sie verwendete ihre Kraft vor allem darauf, Kollegen Abb. 2: Lise Meitner, Foto um 1958. Von AlexAnder Von Humboldt bis lise meitner 321 1 Brief von Otto Hahn an Lise Meitner v. 19. 12. 1938, Churchill Archives Centre, in: Lise Meitner zum 125. Geburts- tag (Ausstellungskatalog Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Katalognr. 160), Berlin 2003, S. 98. 2 L. Meitner/O. R. Frisch, Disintegration of Uranium by Neutrons: A New Type of Nuclear Reaction, in: Nature. 143, London, 1939, S. 239–240. In diesem Beitrag vom 11. Februar 1939, der erstmalig den Prozess der Atomspaltung beschreibt, wird auch erstmalig der Begriff ‚fission’ verwendet.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Titel
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Herausgeber
Ingeborg Schemper-Sparholz
Martin Engel
Andrea Mayr
Julia Rüdiger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
WIEN · KÖLN · WEIMAR
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20147-2
Abmessungen
18.5 x 26.0 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
Kategorien
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