Seite - 341 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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Man bestellte alle Terrakottastatuen und die
Verzierungselemente der Fassade bei der Fabrik
Ernst March und Söhne in Berlin-Charlotten-
burg.10 Die allegorischen Wissenschaftsskulptu-
ren wurden anhand von in der Fabrik vorhande-
nen Mustern ausgeführt, und Modelle deutscher
Bildhauer (Albert Wolff, Bernhard Afinger, Her-
mann Schievelbein, Hermann Wittig und Ru-
dolf Siemering) und eines ungarischen Meisters
(Miklós Izsó) dienten zur Ausführung der Ge-
lehrtenstatuen.11 Das Budapester Gebäude von
Stüler zeigt dem Stil, der Raumanordnung und
den Verzierungselementen der Fassade nach enge
Beziehungen auch mit den früheren öffentlichen
Gebäuden des Architekten: mit dem schwedi-
schen Nationalmuseum in Stockholm und der
Universität Königsberg (1860 und 1862).12 Wäh-
rend aber die gleichen Berliner Bildhauer an der
figuralen Verzierung der Gebäudefassaden von
Budapest und Königsberg tätig waren, verfer-
tigten am Nationalmuseum Stockholm örtliche Künstler die Porträts der großen Gestalten der
schwedischen Kultur. Stüler verwendete das Mo-
tiv der Profilbüsten von Gelehrten und Künst-
lern in Tondoform auf kreative Weise auch an
den Fassaden in Stockholm und in Königsberg.13
Diese bauplastische Form wird im nachfolgen-
den halben Jahrhundert an den öffentlichen Ge-
bäuden verschiedener Wissenschaftszweige die
gemeinsame Berufsidentität kennzeichnen und
die Trägerin der Gelehrtenmemoria auch für die
Außenwelt sein.14 Die frühesten Beispiele in Un-
garn erscheinen an den Wänden des Treppen-
hauses und des Vorlesungssaals des ehemaligen
Chemischen Instituts der Budapester Universi-
tät. Sie entstanden 1868, drei Jahre nach der Voll-
endung des ungarischen Akademiegebäudes. Sie
sind ohne Ausnahme Tondoporträts ausländi-
scher Gelehrter (Abb. 7). Das Programm stammt
von einem Fachkundigen, dem bekannten unga-
rischen Chemiker Károly Than, der seine Ausbil-
dung in Heidelberg bei Robert Wilhelm Bunsen
Auf der Suche nAch räumen und formen der memoriA 341
10 Zur Tonwarenfabrik March: C. A. Wolf, Studien zur Tonwarenfabrik March in Charlottenburg, phil. Diss., Tech-
nische Universität Berlin, Berlin 1990.
11 Kemény, A Magyar Tudományos Akadémia palotája (zit. Anm. 9), S. 122.
12 www.bildindex.de (abgerufen am 23. Jänner 2017.): Neue Universität, Königsberg (Aufnahme-Nr.: Foto Marburg
1.199.144; 212.482; Deutsche Fotothek FD 352 582; FD 20 161; FD 52482; FD 52 483; FD 352 583; FD 352 584).
13 Börsch-Supan/Müller-Stüler, Friedrich August Stüler (zit. Anm. 7), S. 231, S. 945. – Ethos und Pathos. Die Ber-
liner Bildhauerschule 1786–1914 (Ausstellungskatalog Staatliche Museen zu Berlin), Berlin 1990, S. 557, S. 580–581.
14 Zum Beispiel: 1875, Jernkontoret (Haus des Metallkontors) in Stockholm: Tondos renommierter schwedischer Na-
turwissenschaftler von Johan Frithiof Kjellberg – Herzlichen Dank für den Hinweis an Fredrik Krohn Andersson;
1892, Allgemeine Poliklinik in Wien, mit 13 Keramikmedaillons berühmter Wiener Ärzte.
Abb. 6: Gelehrtenporträts an der Hauptfassade des Palastes der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken