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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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Relief Das Wiegenlied (Ukolébavka) den golde- nen Reichel-Preis bekam. Für seinen Professor Myslbek war es – in seinen eigenen Worten – ei- ne größere Genugtuung als sein eigener Erfolg einer Silbermedaille in einem Pariser Salon ei- nige Jahre zuvor.13 Dieser außergewöhnlich frü- he Erfolg brachte Sucharda eine Assistentenstelle und später die Professur an der Prager Kunstge- werbeschule sowie eine Reihe von Aufträgen ein. Die Kunstgewerbeschule war damals viel pro- gressiver als die eher konservative Prager Aka- demie. Zu den Kollegen Suchardas zählten da beispielsweise der Architekt Jože Plečnik (1872– 1957), mit dem Sucharda mehrmals zusammen- arbeitete.14 Von wesentlicher Bedeutung war dort die Ankunft von Jan Kotěra (1871–1923), der als junger Absolvent Otto Wagners 1899 von Wien nach Prag kam, wo er zunächst eine Professur an der Prager Kunstgewerbeschule erhielt. Kotěra gilt zu recht als Bahnbrecher der modernen Ar- chitektur Böhmens.15 Kotěra befreundete sich bald mit Sucharda, der mit ihm an mehreren bedeutenden Bauten als Bildhauer kooperierte. Kotěra entwarf auch das zweite Prager Wohn- haus (1904–1906) Suchardas mit dem Atelier, in dem das Palacký-Denkmal entstand. Und gera- de Kotěra und Sucharda waren die gemeinsamen Initiatoren der wichtigsten Aktivitäten des Má- nes-Vereins in der ersten Dekade des 20. Jahr- hunderts. Im Vorstand dieses Vereins war Stanislav Sucharda länger als zwölf Jahre tätig. Parado- xerweise führte er also eine Opposition gegen Myslbek, aus dessen Schule er selbst als Künst- ler hervorgegangen war. Der frühe Erfolg des Wiegenlied-Reliefs und damit die Brandmarke des „rein tschechischen, lyrischen Ausdrucks“ empfand Sucharda, besonders im Mánes-Mili- eu, als eine immer größere Bürde. Denn sein Stil wandelte sich um die Jahrhundertwende grund- sätzlich infolge der Begegnung mit dem locke- ren und leidenschaftlichen Duktus von Auguste Rodin. Die bisherige Unbeweglichkeit wurde von Dynamik und Leidenschaft, tschechische Volkstrachten von nackten Körpern, klare Kon- turen von skizzenhaften Zeichnungen abgelöst. Hinsichtlich der ungefälligen Stellung Wiens gegenüber den Forderungen der tschechischen Eliten spielte der pro-tschechische Prager Stadt- rat die Rolle einer tschechischen Quasi-Ersatz- regierung. So war es die Stadt Prag, die die Ent- stehung von zwei der insgesamt drei bereits erwähnten größten „tschechischen“ Denkmäler initiierte. Nur das erste, das des Heiligen Wen- zelslaus (Wenzelsplatz, ehem. Rossmarkt), war ein Staatsauftrag, mit dem man den zuverläs- sigen Myslbek betraut hatte. Die zwei folgen- den, jenes des „Nationalhelden und Märtyrers“ Jan Hus (an einer programmatischen Prestigelo- kalität des Altstädter Rings) und schließlich je- nes des František Palacký,16 entstanden als städ- tische Aufgaben parallel und unter dem Einfluss ähnlicher Umstände. Im Kontext der europäi- schen Denkmalproduktion stellen diese zwei Prager Monumente eine gewisse, die Grundre- geln der Monumentalität verletzende Anoma- lie dar. Eine extrem dynamisierte Kompositi- on in beiden Fällen (beim Hus-Denkmal sowie bei Palacký) belegt einerseits die Faszination für Rodin, andererseits eine programmatische Ne- gation des Kunstgeschehens im deutschsprachi- gen Raum. Stattdessen prägte sich die moderne tschechische Kunst (mit dem Mánes-Verein im Kopf) ganz kategorisch aus. Jede Verbindung, martin krummholz372 13 Brief des J. V. Myslbek an Josef Supecký, 16. April 1892, Archiv Národní galerie v Praze, Sign. AA 775/63. 14 D. Prelovšek, Josip Plečnik. Život a dílo, Brno 2002; M. Krapež/D. Prelovšek (Hg.), Architect Jože Plečnik (1872–1957), Ljubljana 2008. 15 V. Šlapetka (Hg.), Jan Kotěra. The Founder of Modern Czech Architecture 1871–1923, Prague 2003. 16 Das vierte kolossale Denkmal Prags, des hussitischen Heerführers Jan Žižka, wurde zwar auch seit Ende des 19. Jh. beabsichtigt. Die Realisierung dieses Monuments hat sich jedoch lange Zeit geschleppt, enthüllt wurde es erst im Jahr 1950. Siehe dazu: P. Wittlich, Bohumil Kafka (1878–1942). Příběh sochaře, Praha 2014. Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Titel
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Herausgeber
Ingeborg Schemper-Sparholz
Martin Engel
Andrea Mayr
Julia Rüdiger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
WIEN · KÖLN · WEIMAR
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20147-2
Abmessungen
18.5 x 26.0 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
Kategorien
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