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für die Zukunft der jungen Nation: insbesonde-
re die fünf Meter hohe Figur einer Weissagerin
(Abb. 10), die eine weitere Paraphrase Suchardas
Lieblingsmotivs der Geschichte/der Erzählung/
des Unterrichtes darstellt. Am Fuße der Gipfel-
gruppe findet sich eine markante horizontale
Gestalt des fliegenden, anrufenden Politikers.
Diese Wiedergeburtsikonografie Suchardas ist
vollkommen originell. Das Palacký-Denkmal
ist aber hinsichtlich weiterer Aspekte ein merk-
würdiges Werk.
Die asymmetrische Komposition reagiert –
analog zum ersten Entwurf aus dem Jahr 1898
– auf die ungünstige Lage des Ortes (Abb. 7).
Die nach links verschobene obere Gruppe (mit
dem gerade erwähnten Politiker) wird in die
Brückenachse gerückt. Das Gesamtkonzept so-
wie die Proportionen der monumentalen Figu-
ren (Höhe 3–4,5 m) des Denkmals korrespon-
dierten mit den Skulpturen der Palacký-Brücke
(1887–1897) (Abb. 5). Dort standen bis Ende des
Zweiten Weltkriegs vier Statuengruppen von
J. V. Myslbek, die verschiedene Themen aus den
tschechischen slawischen Mythen (einschließ- lich der Fürstin Libuše) allegorisieren und die
sich heute im Park am Vyšehrad befinden. Ih-
re Entfernung von der Brücke (1945) führte zu
einer Verschleierung der räumlichen Beziehun-
gen und des ursprünglichen Gesamtkonzepts des
Palacký-Denkmals.
Während der langen Realisierungszeit ver-
suchten mehrmals die Kommunalpolitiker die
Aufwendigkeit des Monuments zu verringern,
u.a. durch die Reduktion einiger „überflüssiger“
Teile. Nach dem verbindlichen Modell im Maß-
stab 1 : 8 entstand in Suchardas neuem von Kotěra
entworfenen Atelier ein finales Modell in hal-
ber Größe. Ein kaschiertes Modell vor Ort führ-
te 1906 zu vehementen Bemühungen Suchardas
für einen anderen Aufstellungsort. Für eine Alter-
native vor dem Konzerthaus Rudolfinum (heu-
tiger Palachplatz) fertigte Sucharda daher Foto-
montagen (Abb. 11). Ganz logisch klang in diesem
Zusammenhang ein Argument, dass hier das
Denkmal des bedeutendsten tschechischen His-
torikers mit dem damals gegenüber projektier-
ten Neubau der Prager Philosophischen Fakul-
tät hätte korrespondieren können.20 Der Stadtrat
Abb. 11: Stanislav Sucharda, fotografische Simulation der Platzierung des Palacký-Denk-
mals vor dem Rudolfinum (auf heutigem Palach-Platz), 1906/1907.
martin
krummholz378
20 M. Krummholz, in: Kuthanová/Svatošová (zit. Anm. 7), S. 83.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken