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MobilitätundpopuläreKultur 119
warenzunehmendinunterschiedlichenKontextenundzwischenverschiede-
nenLebensweltensozialisiert.AufArtist*innen,dienon-verbalunterhielten
undnichtaufSprachealsVermittlungsinstanzangewiesenwaren,hattedies
natürlichgeringereAuswirkung.Fürdiejenigenaber,diemitSprachkomikund
Gesang ihrPublikumbegeisternwollten, ergaben sichmitderwachsenden
Sprach-undKulturkompetenz ihrerZuhörer*innenneueMöglichkeiten.
DieMobilität führtezueinergenerellenVeränderung innerhalbderpopulä-
renKultur.WährenddieVolkssänger*innenindenvergangenenJahrzehnten
meistallein inHeurigenundGaststättenaufgetretenwaren,entstandenzum
FindeSiècle,wie imdrittenKapitel skizziert, zunehemendregelmäßigeSpiel-
stättenundesherrschte innerhalbderSzeneeineregeOrganisationundgute
Infrastruktur.DieKünstler*innengabennichtmehrEinzelvorstellungen, son-
derntratenalsTeilvonEnsemblesinbuntzusammengestellten, facettenreichen
Programmenauf.NunbegleitetennichtmehrdieKünstler*innendasWirts-
hausambiente:SieundihreVorstellungenwarendieHauptattraktionundder
Grund,weshalbGäste kamenoder ausblieben.31DieProgrammedauerten
meist zwei bis drei Stundenundwurden täglich zumehrerenVorstellungs-
zeiten,meistabdenfrühenNachmittagsstundenbis indieNacht,angeboten.
DieEintrittspreisewarensehrgering,häufigmusstegarkeinEintrittbezahlt
werden. InmanchenSpielstättengabesgegenAufpreisauchLogen.
MitderzunehmendenPopularitätdiesesAngebotsundderkombinierten
ProgrammeinVarietésundSingspielhallenentstandenvieleneueartistische
Berufe.DieProgramme,dieAufführungenunddieStückewarenheterogen.Es
wurdenkeineswegsnurnochausschließlichPossen,CoupletsoderLiedervor-
getragen.AkrobatischeDarbietungenbishinzum„Drahtseilakt“warenebenso
TeilderAufführungen.32Waszählte,wardasAußergewöhnliche:Mimiker*in-
nen,Komiker*innenund„knochenlose“MenschenoderskurrileAuftritte,die
ausmedizinischenGegebenheiten–„Abnormitäten“–AnlasszumAmüsement
anderergenerierten–wieetwadieNummerndes„kleinstenZwerges“oderder
„MiniaturAthletenundAkrobaten“.33Derartiges fandsich inPotpourrisauf
den„Brettl’n“ imVarieté, inderSingspielhalleundimOrpheumvereint.
31 Abden1880erJahrenist inZeitungsinseratenvonHeurigenundWirtshäusernzunehmendzu
beobachten,dassmitderPopularitäteinzelnerVolkssänger*innengeworbenwurde,wassich
langsamin längereAbendeundmehrerePersonenverwandelte,bis schließlichdiePotpourris
anUnterhaltungsprogrammenentstanden.
32 SiehehierzuetwaIAR,1.8.1894,4.
33 Inseratdes„kleinstenZwerges“, IAR,1.11.1891,4; Inseratder„MiniaturAthletenundAkro-
baten“, IAR1.11.1894,17.SieheallgemeinJosephPhilippi, „DasPicante inderKunst“, IAR,
1.8.1892,1–2.
© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
https://doi.org/10.7767/9783205211884 | CC BY 4.0
Auf die Tour!
Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
Zwischen Habsburgermonarchie und Amerika
- Titel
- Auf die Tour!
- Untertitel
- Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
- Autor
- Susanne Korbel
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21188-4
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 272
- Kategorie
- Kunst und Kultur