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StückaufdenNewYorkerBühnenzuarbeiten.Künstler*innen,Spielstätten-
undAgenturbetreiber*innenwarendaherbestrebt, einstarkes internationales
NetzwerkaufzubauenundihreErfahrungen–etwahinsichtlichVersicherun-
gen,einfacherenReiseroutenoderGrundlagenderVereinsgründung–auszu-
tauschen.AllenBemühungendes internationalenNetzwerks indermobilen
Populärkultur zumTrotz, bliebenGräueltaten, schamloseAusbeutungund
Betrügereinnichtaus. ImJänner1894wandtesicheinArtist,dergeradevon
einerTourausNewYorkzurückgekehrtwar,anseineKolleg*innen:
ImreFoxengagirtemich inWien imMai1893 für eineTourné inAmerikaundCana-
daauf30Wochen, respect. vom2.Nov. 1893bis1.Mai1894. Juni, Juli undAugustwar
ichdieKoster&Bial inNewYorkengagirt.Am2.Nov.,Morgens fuhrenwir vonNew
Yorknach einemkleinenOrt,wodie ersteVorstellung stattfand; vonda ab reistenwir
beinahe jedenTag, Sonnabendden7.Nov. spieltenwir inWelmington.NachderVor-
stellung reiste ImreFox,wie er sagte, inGeschäftennachNewYorkund sollteMontag
in Bethlehembei derGesellschaftwieder eintreffen.Wirwaren also am9.Nov unter
Leitung seines SchwagersMr.ClarknachBethlehemgereist. FürdieAbendvorstellung
wurde alles vorbereitet, das Publikumwar bereits imTheater, nur unserDirektor Im-
reFoxwarnochnichtda,wirwartetenalleZügedie ausNewYorkkamen, aberkeiner
brachte ihn, schliesslichwarenwir gezwungendieVorstellungabzusagenunddemPu-
blikumdasGeld zurückzugeben.[…]Dawir keinenLeiter hatten, so fuhrenwir noch
denselbenAbendnachNew-York zurück, ich begabmich sofort zuMissis Fox, unter
Thränen erzählte siemir, dass ihrMannverschwunden, sie habe alleHospitale durch-
gesucht und auch bei der Polizei nachgefragt, habe aber nirgends eine Spur von ihm
gefunden. Siewarder festenMeinung, dass er ermordetworden sei.Am10.Nov. Erst
hatte siedieGewissheit erlangt,dassernachEuropadurchgebranntundsieallerMittel
entblösstzurückgelassenhabe.[!]107
DieserLeserbrief illustriert,wieKünstler*innenausEuropaübermehrereSta-
tionenvonAgenturengewissermaßendurchdieVereinigtenStaatenverbucht
wurden.AnlaufstelledabeibliebstetsNewYork,wodieTour ihrenAusgang
undschließlichauchdasEndenahm. ImkonkretenFall zu frühundwegen
einesBetrugs.DeshalbwarntederVerfasser indiesemLeserbriefauchseine
Kolleg*innen,damitdiesenichtauchaufdieschamlosenTrickseinesunseriö-
senKünstleragentenhereinfielen.ErbatdieanderenMitgliederderSzeneaber
auchumHilfebeiderSuchenachImreFox inderHoffnungeinerAufwands-
entschädigung.Eskamalsodurchausvor,dassangeheuerteKünstler*innenin
Amerikazurückgelassenwurden. InsolchenFällenkamdeminternationalen
NetzwerkgroßeBedeutungzu.
NichtabernurdieSchaffungvonMedien, sonderngeradeauchdiebauliche
Infrastruktur,dieetwamitArtistenheimeninBudapestaufgebautwurde,war
107 IAR,10.1.1894,9.
© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
https://doi.org/10.7767/9783205211884 | CC BY 4.0
Auf die Tour!
Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
Zwischen Habsburgermonarchie und Amerika
- Titel
- Auf die Tour!
- Untertitel
- Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
- Autor
- Susanne Korbel
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21188-4
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 272
- Kategorie
- Kunst und Kultur