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MännlicheDamen,weiblicheMänner 159
Anscheingewinnt,als solltedieSoubrettezueinemblossenSchaugegenstand
erniedrigtwerden“.DerartigeEntwicklungensuggerierten,dassdieSoubrette
mehr„Schönheitsmädchen“alsKünstlerinwar.DieserUmstandmüsse sich
dringendändern,dasie ihrStudiumauf ihreKunstundnichtauf ihrÄußeres
verwendensollten:
Sie [die „wirkliche Soubrette“] muss einerseits den Charakter, die Sprache und die
Sprechweise der einzelnen Typen und Völker genau kennen und zu lernen bemüht
sein […], andererseits regelrecht ihreStimmeschulen, ausbildenundpflegen–auch in
hygienischerHinsicht, […]unddrittensmuss eine gute Soubrette sich allerdings auch
auf jeneharmlosenunddecentenMittelderKoketterieverstehen,dieMutterNaturnun
einmal denFrauen zugewiesenhat.Dazu gehört vor allemdie tiefeKunst desWeibes,
sichmitGeschmack,wennaucheinfachzukleiden.[!]173
GemäßdieserCharakteristikdesFachorganserwartetedasPublikumvonSou-
bretten inderMonarchiesomiteinen„Spagat“zwischenverschiedenen,weib-
lich konnotiertenEigenschaften. Soubretten solltendenChic der ausParis
bekanntenVertreterinnenkopierenunddasstimmlicheKönnenvonOpern-
soubretten,wiedasgeschmacklicheGeschickdergutbürgerlichenSalondamen
vereinen. InderDiskussionumdiebesonderenVorzügewieauchAnforderun-
genandieWienerund„Pester“Varietékünstlerinnenentfaltetensichpräzise
gesellschaftlicheNormvorstellungen:GeschmackimKleidungsstil zubewei-
sen,wurdemit der Floskel „tiefeKunst desWeibes“ bezeichnet unddamit
alsexklusivFraueninhärenteEigenschaftkonstruiert.ObwohldasFachorgan
denSoubrettenviele, fürRollenverteilungeninanderenBereichengeradezu
modernistisch anmutendeZugeständnissemachte, schlugen in denErwar-
tungenstereotypisiert traditionelleHaltungendurch.Gleichwohl fordertedas
PublikumvondenVarietékünstlerinnen,dass sieden transnationalenCha-
rakterpopulärerKulturverkörpertenundebennichtetwas,wieauchimmer
definiertes,Nationales.AlldasbetrafnatürlichwederausschließlichdieRol-
lenbilderüberKünstlerinnen,nochausschließlichdieVorstellungen innerhalb
derMonarchie, sondernebenso inAmerika.
DieSoubrettenansichwarenkeineswegseineexklusiveuropäischeErschei-
nungderZeit.NochwarenesdieRollenvorstellungen,diesichumsieaufspann-
ten.DerCharakterderSoubrettewar inOpern im18.und19. Jahrhundert
entstanden. JenniferGillis beschreibt den Soubrettencharakter bereits dort
alseinen,derüberdasPotentialverfügte,gesellschaftlicheMachtverhältnisse
aufdenKopfzustellen.174UndauchdiepopulärenBühnenAmerikas such-
173 Ebda.
174 JenniferGillis,TheSoubretteCharacterasanAgentofSocialChangein18thand19thCentury
OperaBuffaandSingspiel (Diss.UniversityofOklahoma,2018).
© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
https://doi.org/10.7767/9783205211884 | CC BY 4.0
Auf die Tour!
Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
Zwischen Habsburgermonarchie und Amerika
- Titel
- Auf die Tour!
- Untertitel
- Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
- Autor
- Susanne Korbel
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21188-4
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 272
- Kategorie
- Kunst und Kultur