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DassKünstlerinneninderpopulärenKulturmitgeheimerProstitution in
Verbindunggestandenhätten, ist dabei einVorwurf, der vielfach auchvon
derForschungübernommenwurde.215Allerdings istanzumerken,dasssich
dafürkeineverallgemeinerbarenBelegefinden.Dassollnichtheißen,dasses
nichtzuverdeckterProstitutionundauchzuAffärenzwischenSoubrettenund
VerehrernausdemPublikumgekommenist. JedochscheintdieBehauptung
einesallgemeinenNahverhältnissesderEtablissementszurProstitutionunhalt-
bar.EineVielzahlderEtablissementkünstlerinnenwarenmit ihrenKollegen
verheiratet.216Allgemein legt auchderBlick in dieAufführungsunterlagen
dassubversivePotential,dasdenSoubrettenzukam,einanderesBildnahe.217
Esdrängt sichdie Frage auf, obdas bis zurEkstase getriebene aufreizende
Bühnenspiel entsprechendeProjektionenundPhantasienveranlasste.
UnterdemTitel „BitterePillen“vermitteltedie InternationaleArtistenRevue
am20.September1893ihrenLeser*innen,„[d]asseineBretter-oderBrettel-
Damemehrals jedesandereweiblicheWesendermännlichenStütze,obnun
inFormlegitimenoder liberalenRechts,bedürfe, ist selbstverständlichund
durchihrMetiergerechtfertigt,weil sieebennurdurchsolcheStützenCarrière
215 ElisabethBrauner-Berger,VolkssängertumimWandel (Diss.UniversitätWien,1993),53;
sowieHödlunterVerweisaufBrauner-Berger,ZwischenWienerliedundDerkleineKohn,
105.Brauner-BergerstelltdieseBehauptungauf.ProblematischandieserBehauptungist,dass
BraunerdafürkeineQuellenbelegeausweist.ZweiSchreibenderPolizeibehördeinterpretiert
sie,ohnedass sicheinentsprechenderHinweis tatsächlich imTextfindet,mit„[d]amit sind
eindeutigdieVolkssängerinnengemeint“.Brauner-Berger,VolkssängertumimWandel,57.
Ebensonichtbelegt istdiezweiteThematisierungdesVerhältnissesvonVolkssängerinnenzu
Prostitution,woBrauner-Bergerbehauptet,dass„[s]ie[Volkssängerinnen]verkauftenjanicht
nur ihreKunst, sondernauchihrenKörperundverdientengutdamit“.AlsParadebeispiel
für eineProstituierteundVolkssängerin führtBrauner-Bergerdie „Fiaker-Milli“ an.Die
„Fiaker-Milli“, eigentlichEmilieTurecek(Koller,DasWienerVolkssängertuminalterund
neuerZeit,37),galtalseinederbekanntestenWienerVolkssängerinnender1860er Jahren.
Woher die Information stammt, dass sie Prostituierte gewesen sei, wird nicht angeben.
Brauner-Berger, Volkssängertum imWandel, 56. Allgemein sei zu derVerbindung von
ProstitutionundVolkssängerinnenangemerkt,dass sichderartigeHinweisenichtexplizit
finden, sondernnur implizitdie inunter„Soubretten“dargestellteDiskussionvonstatten
ging.FürdasBeispielder„Fiaker-Milli“ imBesonderen lässt sichkonstatieren,dasses in
FolgeeinerwidrigenDarstellung ihrerPerson1867zueinemGerichtsprozessgekommen
war. IndemProzessverlaufhobderAngeklagtesogarexplizithervor,dassdieDarstellung
nurzurÜbertreibungdienensollteundkeinerlei lebensweltlicherRealitätentsprach,was
auchderKonsensderanderenAussagenwar.NWT,26.11.1867,3.
216 FranzundMariettaKriebaum,RisaBastéundAdolfGlinger,OttoTaussigundPaulaWalden,
AnnaDrexlerund JosefModel, FürstmitderSchwarzenEberlPepi,DrexlermitAmalia
Seidler,HeinrichEisenbachmitMizziTelmont, JosefArminundKätheWachs.Sieheeiner-
seitsdieAusführungenindieserArbeit.Andererseits zuKriebaum,Fürst,ModelKoller,Das
WienerVolkssängertuminalterundneuerZeit,18,97und157.
217 SiehehierzudieAusführungenimKapitel5.
© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
https://doi.org/10.7767/9783205211884 | CC BY 4.0
Auf die Tour!
Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
Zwischen Habsburgermonarchie und Amerika
- Titel
- Auf die Tour!
- Untertitel
- Jüdinnen und Juden in Singspielhalle, Kabarett und Varieté
- Autor
- Susanne Korbel
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21188-4
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 272
- Kategorie
- Kunst und Kultur