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533.10
Das Interstate-System und der Traum vom Magic Highway
Domino, während der Sohn sein Modellflugzeug betrachtet. Angegurtet scheint aber
niemand zu sein, während das Auto einer gestrichelten Linie auf der kaum befahrenen
Strecke folgt.
Dieses Motiv zeigt, dass Bilder automatischer Fahrzeuge in erster Linie eine ideale
Oberfläche für die Inszenierung der harmonischen Kleinfamilie waren. So definierte die
populäre Frauenzeitschrift McCalls die Idealfamilie 1954 über das gemeinschaftliche
Beisammensein und das Teilen gemeinsamer Erfahrungen ([24], S. 180). Diese family
togetherness entwickelte sich schnell zu einem nationalen Ideal. Die 1950er-Jahre können
als „Goldenes Zeitalter“ der Familie bezeichnet werden, was sich vor allem am frühen
Heiratsalter beider Geschlechter und der geringen Scheidungsrate festmachen lässt und
als Reaktion auf die Zeit des Krieges und der Depression interpretiert werden kann: Die
Familie bildete demnach einen Gegenpol zu den zunehmend anonymisierten Arbeitsum-
gebungen, unter denen die persönlichen Beziehungen litten ([24], S. 177 ff.). Die Anzeige
zog ihre Attraktivität aus diesen sozialhistorischen Bedingungen, indem sie ein utopisches
Gegenbild zur Arbeitswelt aufzeigte. Tatsächlich lautet bis in die Gegenwart eines der
wichtigsten Versprechen des autonomen Fahrens, die mit dem Steuern verbrachte Zeit in
gemeinsam mit der Familie verbrachte Freizeit zu verwandeln.
3.10 Das Interstate-System und der Traum vom Magic Highway
Ein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Ende des Koreakrieges, durchliefen
die USA eine Zeit dramatischer Veränderungen. Die Massenkonsumgesellschaft begann
sich voll zu entfalten. Die Expansion des Automobilismus, schon seit den 1920er-Jahren
unverzichtbarer Bestandteil des amerikanischen Lebensstils, führte nun zu einer beschleu-
nigten Transformation des Raumes.
Bedeutsam war vor allem der Bau des überregionalen Interstate Highway Systems 1956.
Walt Disneys Fernsehfilm Magic Highway U.S.A. (1958) von Ward Kimball ordnet dieses
gigantische Autobahnprojekt in eine lineare Fortschrittsgeschichte ein. In einer Mischung
aus dokumentarischen Archivaufnahmen und fiktionalen Cartoon-Animationen erzählt der
Film die Geschichte der amerikanischen Straße ([40]; [38], S. 112 f.). Den negativen Folgen
der Massenmotorisierung – Pannen, Unfälle, Staus – wird die Lichtgestalt des Highway
Engineer entgegengestellt. Er wird die Straßen bauen, die alle Übel heilen werden.
Und dazu gehört das zukünftige automatische Fahren, das wie in der LIFE-Anzeige mit
dem konservativen Idealbild der amerikanischen Familie kombiniert wird (Magic Highway
U.S.A., ab 39‘00“). Dreh- und Angelpunkte sind dabei ein patriarchales Geschlechter-
modell, Vollbeschäftigung und Konsum. Eine Zeichentricksequenz zeigt, wie eine Familie
in ein futuristisches Auto steigt. Nachdem der Vater das Ziel auf einem Mischpult ein-
gegeben hat, hält er per Bildtelefon eine Geschäftskonferenz ab und wird anschließend im
Büro abgesetzt. Mutter und Sohn fahren ins Shoppingcenter.
Das Versprechen des automatischen Fahrens spielte auf die langen Autofahrten von den
Vorstädten (Suburbs) in die urbanen Zentren an. Von den 13 Millionen Häusern, die von
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
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