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Das automatisierte Fahren im
Kontext54
1948 bis 1958 in den USA gebaut wurden, entstanden 85 Prozent in den Vorstädten ([24],
S. 183). Für die Familien bedeutete dies meist genau das Gegenteil von family togetherness:
Durch die Notwendigkeit, zur Arbeit zu pendeln, hatten viele Väter kaum noch Zeit, sich
um ihre Familien zu kümmern ([24], S. 184). Die Ehefrauen fuhren die Kinder im Auto zur
Schule, zum Musikunterricht, zum Arzt. Ihnen fehlten soziale Kontakte, ihr Leben vollzog
sich in Isolation und Langeweile. Insofern zeigt der Film ein verfälschendes Bild der
Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, da die Reproduktionsarbeit ausgeblendet wird.
Magic Highway U.S.A. endet damit, dass ein automatisches Fahrzeug auf einer zentral-
perspektivisch angelegten Autobahn dem glutroten Sonnenuntergang entgegenfährt. Damit
begegnen wir erneut der utopischen Ästhetik, die sich seit den 1930er-Jahren durch die
populäre Kultur zieht. Walt Disney kommentiert diese Einstellung mit den Worten, die
Straße verbinde alle Nationen, sie sorge für „ein besseres Verständnis zwischen den Völkern
der Welt“ (Magic Highway U.S.A., 47‘05“ – 47‘25“, Übers. d. A.). Das automatische Fah-
ren führe wie ein „magischer Teppich zu neuen Hoffnungen, neuen Träumen“, hin zu einem
besseren Leben in der Zukunft. Selten wird deutlicher, dass Zukunftstechnologien Teil
eines gesellschaftlichen Heilsversprechens sind.
3.11 Die technische Realisierung der Leitdrahtvision
und ihre bildliche Vermittlung
Bisher wurde gezeigt, wie Literatur, Film und Druckmedien das fahrerlose Auto seit den
1930er-Jahren als Teil utopischer Traumlandschaften zeigten. In den 1950er-Jahren bekam
dieses literarische und bildliche Technoimaginäre eine neue Dynamik, da in der Auto-
mobilindustrie Technologien entwickelt wurden, die den automatischen Verkehr möglich
machen sollten.
1953 testete GM gemeinsam mit dem Elektronikhersteller Radio Company of America
(RCA) zunächst ein Miniaturmodell der automatischen Straße ([42], S. 6). Das autonome
Fahren wurde dann 1956 mithilfe des Konzeptcars Firebird II im Rahmen der reisenden
Werbeshow „Motorama“ popularisiert. So zeigt der Begleitfilm Key to the Future von
Michael Kidd eine im Stau stehende Familie, die singend von einer Reise in einem Firebird
II träumt, der sie so viel komfortabler voranbringen würde. Von einem Kontrollturm aus
lenkt ein Uniformierter den Wagen in eine automatische Expressspur. Nun folgt der Wagen
dem Leitkabel, und der Vater kann das aus Flugzeugen bekannte Steuerhorn (Yoke) ins
Armaturenbrett schieben. Technisch funktionierte das System zu diesem Zeitpunkt aller-
dings noch nicht ([42], S. 7).
Am 14. Februar 1958 absolvierte das erste automatically guided automobile im Techni-
cal Center von GM in Warren (Michigan) eine Teststrecke von einer Meile ([10]). Die
Ingenieure hatten im Frontbereich eines 1958er Chevrolet zwei elektronische Fühler ange-
bracht, die einem in der Straße verlegten Kabel folgten und das Steuerrad danach ausrich-
teten ([20], S. 76). GM stützte sich dabei auf Forschungen des Fernsehpioniers Vladimir
Zworykin (1888–1982).
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung