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Das fahrerlose Automobil im Film
3.13 Die unheimliche Verlebendigung der Maschine
Während Presse-, Werbe-, und Filmbilder in den 1950er-Jahren noch ganz dem Wunder-
baren dieser Vision verpflichtet sind und dominante gesellschaftliche Wunschbilder in
Szene setzen, treibt die Literatur die Frage um, wie stark unsere zukünftigen Autos dem
Menschen ähneln werden. Sie warnt vor der Überhöhung zukünftiger Technologien und
gibt unbewussten Ängsten einen Raum.
Isaac Asimovs Kurzgeschichte Sally (1953) wurde im selben Jahr veröffentlicht wie der
oben besprochene Popular Science-Artikel. Asimov stellt uns vermenschlichte „Automa-
tomobile“ vor, deren positronische Motoren es erlauben, dass „nie ein menschliches Wesen
hinter ihrem Lenkrad“ sitzen muss ([2], S. 23). Man „gibt den Bestimmungsort an, und der
Wagen findet seinen Weg.“ ([2], S. 25). Zunächst sei das autonome Fahren nur schwer
durchzusetzen gewesen, habe dann aber alle Unfälle abgeschafft und „das Töten“ beendet
([2], S. 25).
Die besondere Qualität der Geschichte besteht darin, dass Asimov den gesteigerten
Anthropomorphismus aufzeigt, der mit dieser Vision einhergeht. Die „Automatics“ sind
stark verlebendigt, sie werden als „zutraulich und herzlich“ beschrieben ([2], S. 27). Sie
„können miteinander sprechen“ ([2], S. 45). Ihre Gefühle könne man am Motorengeräusch
hören ([2], S. 43). Besonders die Cabriolets seien „sehr eitel“ ([2], S. 28). Die Automato-
mobile können auch auf „Handbetrieb“ umgeschaltet werden ([2], S. 31), man dürfe den
Motor jedoch nicht abschalten, da dies dem Wagen Schmerzen bereite ([2], S. 32).
Dieser Anthropomorphismus schlägt dann wie in Kellers Kurzgeschichte von 1935
plötzlich ins Unheimliche und Bedrohliche um. Die Autos entwickeln einen eigenen Willen,
sie öffnen ihre Türen nicht mehr ([2], S. 31), rollen auf einen Gegner zu ([2], S. 37) und
beginnen schließlich zu töten: „Sie fanden Reifenspuren an seinen Armen und Beinen“ ([2],
S. 44). Dieses Muster finden wir später u. a. in dem auf einem Roman von Stephen King
basierenden Film Christine (1981) wieder.
3.14 Das fahrerlose Automobil im Film
Ende der 1960er -Jahre ist eine Verschiebung im Bereich der Bildgeschichte selbstfahren-
der Autos zu beobachten. Hatten die populärwissenschaftlichen Zeitschriften bisher die
Rolle eines Leitmediums inne, das mit utopischen Bildkonzeptionen für Aufsehen sorgte,
so übernahm nun das Kino diese Rolle. Damit wurde das fahrerlose Automobil endgültig
ein wichtiges Element der Unterhaltungsindustrie, wie James Wetmore bestätigt ([42],
S. 26).
Die kinematografischen Repräsentationen des autonomen Fahrens überschreiten in der
Intensität ihrer Bildsprache deutlich den Horizont der Druckmedien. Ihre Bildwelten sind
nicht nur Indikatoren gesellschaftlicher Hoffnungen, sondern vor allem bestimmter Ängste.
Das aus der Literatur bekannte Muster aus Wunderbarem und Unheimlichem wird weiter-
entwickelt. Damit ermöglicht der Film Einblicke in einen Teil des kollektiven Imaginären,
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung