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Das Aufkommen der Mikroelektronik und die Abkehr von der Leitkabelkonzeption
das lebendig gewordene Auto sich seines Fahrers entledigt: Das sich von selbst einschal-
tende Radio weist von Anfang an darauf hin, dass dieser Plymouth seinen eigenen Willen
hat. Das Radio ist nicht nur Empfänger, sondern vor allem subtiler Sender, es ist Stimme
und Seele des fahrerlosen Autos. Im Gegensatz zu The Car hat Christine jedoch einen
Besitzer, den pubertierenden Arnie, der sich durch sie verwandelt, bald geradezu sexuell
von ihr besessen ist. Tagsüber steuert er das Auto, nachts geht Christine auf Jagd, um zu
töten. Dann verdunkeln sich ihre Scheiben wie bei dem Lincoln in The Car. Christine ist
unverletzlich wie ein Zombie, denn sie kann sich auch nach dem schlimmsten Unfall selbst
heilen. Der besondere Reiz des Filmes besteht darin, dass es bis zum Schluss unklar bleibt,
ob es nicht doch Arnie ist, der Christine steuert.
Die genannten Filme zeigen eine Verselbstständigung des Automobils, die ihr Pendant
in der Realität fand. Die negativen Folgen der Massenmotorisierung – eine hohe Anzahl
von Verkehrstoten, immer längere Staus und erhebliche Smogbelastungen – wurden in den
1970er-Jahren voll sichtbar. So führte die Ölkrise 1973 zu strengeren Emissionsbestim-
mungen und die Ära der Musclecars gehörte bald der Vergangenheit an. Sowohl in den USA
als auch in Europa symbolisiert diese Dekade das Ende des Goldenen Zeitalters des Auto-
mobils.
Fahrerlose Autos boten sich dem Kino geradezu an, um diese Entwicklung allegorisch
ins Bild zu setzen.
3.16 Das Aufkommen der Mikroelektronik und die Abkehr
von der Leitkabelkonzeption
Während im Kino das Unheimliche der Selbstbewegung beschworen wurde, begann die
industrielle Forschung sich vom Konzept automatischer Highways zu entfernen. Die Lücke
zwischen technischer und ökonomischer Machbarkeit sei zu groß gewesen, erklärt einer
der beteiligten Ingenieure heute (vgl. [42], S. 10). Zudem musste sich die Automobil-
industrie auf strengere Umweltauflagen und Sicherheitsanforderungen einstellen. Dies
erforderte umfangreiche Investitionen.
Der Trend ging hin zur Forschung an autonomen Einzelfahrzeugen, die nicht auf eine
Infrastruktur wie Leitkabel angewiesen sind. Vor allem Japan und die USA machten große
Fortschritte bei dem Versuch, dem Auto das Sehen beizubringen: Das Team von Sadayuki
Tsugawa vom Mechanical Engineering Laboratory im japanischen Tsukuba stellte 1977
das erste autonome Fahrzeug vor, das über zwei Kameras Bilder der Straße aufnehmen und
verarbeiten konnte. Hans Moravec vom Artificial Intelligence Lab der US-amerikanischen
Stanford University forschte von 1973 bis 1981 an Roboter-Navigation und nutzte dafür
das Stanford Cart, ein schon 1960 konstruiertes Experimentalfahrzeug mit vier Fahrrad-
reifen, das es im Oktober 1979 schaffte, sich mithilfe einer Fernsehkamera fünf Stunden
lang ohne menschlichen Eingriff durch einen Raum mit Hindernissen zu bewegen.
Das Aufkommen der Mikroelektronik führte außerdem zu einer zunehmenden Elektro-
nifizierung der Fahrzeugtechnik (Einspritzung, Zündung) bis hin zur Einführung der ersten
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung