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1337.4
Auswirkungen der Kommunikationsmöglichkeiten auf die Verkehrssicherheit
oder die anbietende Geste mit nach oben zeigender Handfläche als Geste (s. Abb. 7.3)
bedeutet: Bitte fahre oder gehe Du zuerst – ich verzichte auf mein Vorrecht.
7.4 Auswirkungen der Kommunikationsmöglichkeiten
auf die Verkehrssicherheit
Auf den ersten Blick scheint es, als wären die informellen Zeichen wie Blickkontakt, Ges-
ten oder vorwegnehmendes Handeln weniger eindeutig als die vorgeschriebenen Zeichen
wie Blinker, Hupe, Lichthupe etc. Dies ist aber keineswegs der Fall. Es ist interessant,
dass der Philosoph Heidegger, der sich in seiner Monografie Sein und Zeit [9] mit der
Eigen schaft von Zeichen auseinandersetzt, das Auto als Beispiel wählt: „An den Kraft-
wagen ist neuerdings ein roter, drehbarer Pfeil angebracht, dessen Stellung jeweils, zum
Beispiel an einer Wegkreuzung, zeigt, welchen Weg der Wagen nehmen wird“ (zitiert nach
Frerichs, [10], S. 138). Vielleicht war damals dieses Zeichen noch ein-eindeutig und un-
abhängig von der Situation, jedoch wird schnell deutlich, dass Signale in unterschiedlichen
Kontexten unterschiedliche Bedeutung besitzen. Alle Zeichen, d. h. verbale und nonver-
bale, sind nur in der Verknüpfung und im Kontext verständlich. Wie Savigny [11] ausführt,
muss zwischen Signal und Äußerungsbedeutung unterschieden werden. Eine Lichthupe hat
je nach Situation eine unterschiedliche Äußerungsbedeutung. Die Betätigung der Licht-
hupe durch einen Fahrer, der Vorfahrt hat und verzögert, wird als Angebot zum Einscheren
verstanden, beschleunigt er oder fährt mit gleicher Geschwindigkeit weiter, so drückt das
gleiche Signal aus, dass er auf seiner Vorfahrt beharrt. Auch der rechts gesetzte Blinker
kann bedeuten: „Ich biege ab.“ oder „Ich fahre langsamer, weil ich eine Parklücke suche,
und du kannst oder sollst überholen.“
Mit Blick auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer ist noch das Beispiel „Fahrradfahrer“
interessant. Radfahrer verwenden noch die Zeichen aus den Anfängen der Motorisierung
zur Anzeige einer beabsichtigten Richtungsänderung. Das bedeutet für die Mustererken-
nung, dass – abgesehen vom Verkehr auf Autobahnen – nicht nur der Fahrradfahrer an sich,
sondern auch seine Handzeichen sicher erkannt werden müssen.
Was bedeutet das für die Verkehrssicherheit? Zunächst ist davon auszugehen, dass
autonome Fahrzeuge die mehrfache und kontextabhängige Bedeutung der Signale nicht
kennen und sich daher sehr konservativ verhalten müssen. So lange eine sichere Blick-
erfassung oder das Handzeichen eines Fußgängers nicht sicher erfassbar sind und unter
Berücksichtigung der Situation interpretiert werden können, so lange müssen Fußgänger,
die sich auf einem potenziellem Kollisionskurs befinden, als Gefahr interpretiert werden
und eine entsprechende Reaktion des autonomen Fahrzeugs auslösen.
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
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