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1377.5
Auswirkungen der Kommunikationsmöglichkeit autonomer Fahrzeuge
7.5 Auswirkungen der Kommunikationsmöglichkeit
auf die Akzeptanz autonomer Fahrzeuge
Unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz muss man sich nochmal den Effekt der infor-
mellen Kommunikation in „Verhandlungssituationen“ vergegenwärtigen. Diese dient unter
Berücksichtigung von § 1 der STVO zur Auflösung von Situationen, die zwar prinzipiell
geregelt sind, bei denen die Befolgung der Regel aber zu einer erheblichen Störung des
Verkehrs führen würde.
Beispiel 1
Wegen eines parkenden oder liegen gebliebenen Fahrzeugs in der eigenen Fahrspur ist es
erforderlich, auf die Gegenfahrbahn zu fahren und dabei im Extremfall eine durchge-
zogene Linie zu überfahren. Bei dichtem Gegenverkehr erfordert das eine Abstimmung
mit dem Gegenverkehr. Abgesehen von dem (verbotenen) Überfahren der durchgezogenen
Linie kann die Situation ohne „Verhandlung“ gelöst werden, wenn der Gegenverkehr so
stark abnimmt, dass die Benutzung des anderen Fahrstreifens auch ohne Verständigung
zwischen den Fahrzeugen möglich ist. Mit zunehmender Verkehrsdichte wird eine Ver-
handlung mehr und mehr erforderlich.
Wie signalisiert der Gegenverkehr seine Kooperationsbereitschaft? Er muss zum einen
verzögern, um eine prinzipielle Möglichkeit zum Ausscheren auf die Gegenfahrbahn zu
eröffnen. Verzögern allein reicht meist als Signal nicht aus, denn es kann viele Gründe
geben, warum ein Fahrzeug eine etwas größere Lücke zum Vorausfahrenden herstellt.
Deshalb zeigt der Gegenverkehr in der Regel seine Absicht durch Verzögern und zusätzlich
durch die Betätigung der Lichthupe an. Erkennt nun das autonome Fahrzeug dieses Signal
nicht, so wird es als „Verkehrshindernis“ betrachtet, was für die Akzeptanz sicher nicht
günstig ist.
Beispiel 2
Autonome Fahrzeuge werden sich, wie eben gezeigt, primär vorsichtiger verhalten als
menschliche Autofahrer, da sie wenig Wissen über den Kontext und informelle Zeichen
besitzen. Sie können aber auch Manöver fahren, die von einem menschlichen Fahrer nor-
malerweise nicht ausgeführt werden. Im Gegensatz zu menschlichen Autofahrern reagieren
sie schneller, d. h., die als „Schrecksekunde“ bezeichnete Reaktionszeit des Menschen ent-
fällt weitestgehend. Dies ist einer der Gründe, warum autonome Fahrzeuge weniger Un-
fälle verursachen würden. Weiterhin ist aus der Unfallforschung bekannt, dass viele Fahrer
das Verzögerungspotenzial ihrer Fahrzeuge nicht voll ausschöpfen und auch beim Aus-
weichen die physikalischen Grenzen entlang des Kamm’schen Kreises im Allgemeinen nicht
er
reichen. Fahrer-Assistenz-Systeme wie automatische Notbremse oder Ausweichassistent
wollen diese Defizite kompensieren. In Notsituationen könnte also ein autonomes Fahrzeug
nicht nur schneller, sondern auch an den physikalischen Grenzen der Längs- und Querbe-
schleunigung agieren. Wie sich das auf andere Verkehrsteilnehmer auswirkt, ist momentan
weitgehend unbekannt. Ein einfacher Lösungsansatz wird in Abschn. 7.6 diskutiert.
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung