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1397.7
Kulturelle Unterschiede
Systemen in der Regel mehr Fähigkeiten zu, als sie wirklich besitzen. Die aktuelle, vor
allem marketingorientierte Demonstration von autonomen Fahrzeugen in den Medien ver-
mittelt den Eindruck, dass diese Fahrzeuge alle Situationen beherrschen können. Damit
werden die Erwartungen an autonome Fahrzeuge so hoch, dass Fahrfehler zumindest zur
Irritation, wenn nicht zu Sicherheitsproblemen führen. Um ein realistisches Verständnis
für mögliche Probleme zu erzeugen, ist es daher essenziell, frühzeitig zu vermitteln, wo die
Fähigkeiten und die Grenzen autonomer Fahrzeuge liegen.
7.7 Kulturelle Unterschiede
Im Zusammenhang mit kulturellen Unterschieden stellen sich verschiedene Fragen: Gibt
es universelle Grundregeln für nonverbales Verhalten, die nur adaptiert werden müssen?
Wie lassen sich kulturelle Unterschiede in der Kommunikation und der Erwartungshaltung
auf das Kommunikations- und Entscheidungsverhalten eines Fahrroboters übertragen?
Wenn ja, wie lassen sich diese adaptieren? Welche Verhaltensweisen gibt es im interna-
tionalen Vergleich?
Die bekanntesten kulturvergleichenden sieben Studien zu nonverbalen Äußerungen
anhand des Gesichtsausdrucks stammen von Paul Ekman [14]. Er fand kulturübergreifend
einheitliche Gesichtsausdrücke für die Basisemotionen Angst, Ekel, Freude, Trauer, Über-
raschung, Wut und Verachtung.
Die meisten dieser Basisemotionen treten zwar auch im Straßenverkehr auf, die Be-
deutung für die Kommunikation mit anderen ist aber nur von eingeschränkter Wichtigkeit.
Eine besondere Bedeutung hat der Ja/Nein-Code in Verhandlungssituationen. In Mittel-
und Nordeuropa und den USA gilt Kopfnicken als Bejahung und Kopfschütteln als Ver-
neinung. Im Gegensatz dazu wird in Indien, Pakistan, aber auch in Bulgarien das Kopf-
wackeln von Schulter zu Schulter, das dem „Nein“ in Europa und USA ähnelt, für „Ja“
verwendet. Schließlich gibt es noch eine Art, Ja und Nein nonverbal anzuzeigen, die in
Griechenland, der Türkei und Süditalien verbreitet ist. Das „Ja“ wird durch eine Fall-
bewegung des Kopfes nach vorne ausgedrückt, für ein „Nein“ wird der Kopf in den Nacken
geworfen ([15], S. 134). Missverständlich für die Interaktion zwischen Verkehrsteilneh-
mern kann auch noch das Heranwinken mit einer Handgeste sein. Die sogenannte „Paddel-
geste“ [15] mit nach unten gerichteter Handfläche dient in Japan und im Mittelmeerraum
zum Heranwinken. In England und Deutschland wird sie eher in der Bedeutung „Geh weg!“
eingesetzt. Trotz kultureller Unterschiede nonverbaler Zeichen, die mit den Händen ausge-
führt werden, sind interessanterweise speziell diejenigen Zeichen, die zur Beschimpfung
anderer im Straßenverkehr dienen, international weitgehend einheitlich. Der erhobene
Zeigefinger (s. Abb. 7.9), das Tippen an die Stirn (s. Abb. 7.10) oder das Vorbeiwischen an
der Stirn (s. Abb. 7.11) zum Ausdruck von Unverständnis für das Verhalten zeigen dem
anderen an, was man von ihm hält bzw. nicht hält. Einzig der vertikale Kreis aus Zeige-
finger und Daumen mit abgespreizten restlichen Fingern bedeutet in Deutschland (meist)
„o. k.“ oder Lob, während es in Italien „Arschloch“ bedeutet ( s. Abb. 7.12).
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
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