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Erhöhung der Produktsicherheit automatisierter Fahrzeuge
der Entwicklung stammen (z.B. Gefahren- und Risikoanalyse). Drei gleichwertige Frei-
gabewege sind möglich. Eine direkte Freigabe erfolgt durch die erfahrungsbasierte Emp-
fehlung des Entwicklungsteams. Weiterhin kann eine abschließende Sicherheits
bestätigung
nach entsprechender Rückversicherung über ein internes bzw. externes interdisziplinäres
Expertenforum oder einen objektiven Nachweis verabschiedet werden. Die Bestätigung
der Funktionssicherheit ist mittels Bestätigungstests basierend auf relevanten Verkehrssze-
narien (s. Kap. 17) und anderen objektiven Stichproben möglich (s. Abb. 28.5).
Das Entwicklungsteam wählt für jedes einzelne Szenario einen geeigneten Weg aus. Ein
gemischter Ansatz ist ebenfalls möglich. Wenn das Entwicklungsteam die Sicherheits-
bestätigung der System
auslegung abschließend veranlasst, kann die endgültige Freigabe
erteilt werden (vgl. [5]).
28.4.7 Produktbeobachtung nach der Markteinführung
Im Anschluss an eine sorgfältige Entwicklung ist ein Hersteller verpflichtet, ein auto-
matisiertes Fahrzeug nach dem sogenannten Inverkehrbringen zu beobachten, um bislang
unbekannte Gefahren zu erkennen und nachträglich geeignete Sicherheitsmaßnahmen
zu ergreifen. Danach ist ein Automobilhersteller angehalten, mögliche Gefahren zu er-
kennen (die auch bei nicht bestimmungsgemäßer oder missbräuchlicher Verwendung auf-
treten können), um mit entsprechenden Maßnahmen wie beispielsweise Rückrufaktionen,
Nachbesserung oder Benutzerinformationen zu reagieren.
Als spezielles Beispiel zur Produktbeobachtungspflicht bei Kombinationsrisiken mit
Drittzubehör wird unter Produkthaftungsexperten oft ein Urteil des Bundesgerichtshofs
(BGH) zitiert. Modellspezifische Motorrad-Lenkerverkleidungen aus dem Zubehör, die amt-
lich anerkannte Sachverständige einer Prüforganisation im Juni 1977 erstmalig abgenommen
hatten, sollen für drei spektakuläre Unfälle verantwortlich gewesen sein, darunter ein töd-
licher. Der betroffene Motorradhersteller schrieb am Tag vor dem tödlichen Unfall jeden ihm
bekannten Fahrer des betroffenen Modells mit einer Warnung persönlich an. Den Verunglück-
ten erreichte dieses Schreiben indes nicht mehr. Obwohl der Motorradhersteller vor der
Verwendung der Verkleidung ausdrücklich warnte, wurde das Unternehmen zu Schadens-
ersatz verurteilt. Der BGH fällte in dieser Sache ein wegweisendes Grundsatzurteil:
Die Firmen müssen künftig nicht nur die Verlässlichkeit ihres Produkts in der Praxis beob-
achten, sondern vor allem ihre Kunden auf Gefahren im Tagesbetrieb hinweisen – auch auf
solche, die durch Verwendung oder Einbau von Zubehör anderer Hersteller entstehen. [31]
28.4.8 Bewertung des Risikos möglicher Funktionsfehler nach
der Markteinführung
Aufgrund von Vernetzung und Komplexität werden sämtliche Risiken automatisierter
Fahrzeuge im Serienbetrieb nur schwer zu überblicken sein. Die zunehmende Sensibilität
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