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Gesellschaftliche Risikokonstellation für autonomes Fahren – Analyse,
Einordnung674
schnell zu Engpässen kommen, sowohl in der Versorgung der Bevölkerung als auch, um
die Produktion in der Industrie aufrechtzuerhalten [12]. Dieser Risikotyp ist nichts Neues:
Die seit der Energiewende häufiger thematisierte massive Abhängigkeit von einer verläss-
lich funktionierenden Stromversorgung, aber auch die Abhängigkeit der Weltwirtschaft
vom Internet sind strukturell ähnlich.
Eine andere Form der Abhängigkeit durch autonomes Fahren kann auf individueller
Ebene durch das Verlernen von Kompetenzen entstehen. Eine starke Nutzung autonomer
Fahrzeuge würde den Verlust von Fahrpraxis bedeuten. Werden die Fahrzeuge dann manu-
ell bedient, z. B. am Wochenende oder im Urlaub, kann sich die verminderte Fahrpraxis –
sozusagen eine Abhängigkeit von autonom geführten Fahrzeugen – in einer verminderten
Kompetenz, z. B. zur Beherrschung von unerwarteten Situationen, niederschlagen. Im Fal-
le eines Totalausfalls des Systems wäre auf den Verkehrswegen auf einmal eine große Zahl
von manuell geführten Fahrzeugen unterwegs – möglicherweise wäre dann auch die ver-
ringerte Kompetenz der Lenker problematisch. Zusätzlich würde es vermutlich zu er-
heblichen Engpässen und Staus kommen, wenn die erwarteten Effizienzgewinne auf
Systemebene (s. Abschn. 30.3.2) plötzlich verschwinden.
Schließlich wächst mit der weiteren Digitalisierung und der Übergabe von Autonomie
an technische Systeme die gesellschaftliche Anfälligkeit gegenüber intendierten Störungen
und externen Angriffen. Durch Terroristen, Psychopathen oder auch in militärischen Zu-
sammenhängen (Cyber War) wäre dann auch das autonome Fahren betroffen. So könnten
die Leitzentralen „gehackt“ werden, es könnte Störsoftware eingebracht oder ein System-
zusammenbruch ausgelöst werden. Abwehrmaßnahmen sind selbstverständlich notwendig
und auch technisch möglich; hier kommt es jedoch bekanntermaßen zu dem Hase-Igel-
Problem. Aber auch das ist ein Problem, das nicht spezifisch mit dem autonomen Fahren
verknüpft, sondern aus der Internetwelt bekannt und z. B. auch bereits in der Energie-
versorgung angekommen ist.
30.3.8 Zum Verhältnis von Risikokonstellation
und Einführungsszenario
Die geschilderten Risikokonstellationen beruhen auf qualitativen und explorativen Gedan-
ken aus der heutigen Mobilitätswelt. Damit haben sie eine gewisse Plausibilität, jedoch
ebenfalls spekulative Anteile. Sie dürfen nicht als Prognosen verstanden werden, sondern
sind eher Merkposten, die auf dem Weg hin zur Erforschung, Entwicklung und Einführung
des autonomen Fahrens berücksichtigt werden sollen. Prognostisch können sie bereits
deshalb nicht sein, weil das zukünftige Eintreten bestimmter Risikokonstellationen vom
Einführungsszenario des autonomen Fahrens und seiner spezifischen Ausprägung abhän-
gig sein wird – und beide Elemente sind heute nicht bekannt. Ob beispielsweise ein bord-
autonomes Fahren realisiert werden wird oder ob autonome Fahrzeuge ständig mit dem
Internet und Leitzentralen vernetzt sein müssen, wird stark die Ausprägung der Risiko-
konstellation „Privatheit“ beeinflussen.
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung