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Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
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Schon die altindische Sammlung medizinischer Texte, einem Susruta (vielleicht 1. Jh.
n. Chr.) zugeschrieben, weiß wie die griechisch-römische Antike um die Vorteile einer
Massage. Sie »erfrischt den Körper«, heißt es, »die Adern, Haut und Gelenke, fördert
den Kreislauf, stärkt auch die Nerven und erweckt wohltuende Gefühle der Gesund-
heit, Reinheit und des Glücks«.101 Dies Glück wollte man auch nicht im abendländi-
schen Schwitzbad missen. Das Reiben, wie man früher das Massieren nannte, überließ
jedoch der Meister seinen Badeknechten, -mägden und -frauen, die gleichfalls für das
Über- und Abgießen ihrer Gäste, das Waschen mit Lauge oder Seife zuständig waren.
Der Bader widmete sich anderen Aufgaben.
Da waren zunächst einmal das Kopfwaschen102, Haareschneiden und Rasieren, was
zusätzlich zum Badgeld bezahlt werden musste. Der Dampf und die Wärme machten
das Haar weicher, die Barthaare geschmeidiger, so dass man gern diese Prozeduren
in der feuchten Badstube vornehmen ließ. Trotzdem war das Rasieren lange Zeit ein
schmerzhafter Vorgang. Erst seit Ende des 15. Jahrhunderts verwendeten die Barbiere
Rasierschaum, geschlagen von »balbierer kugelin«, wodurch das Brennen der Haut er-
träglicher wurde.
Lästige Haare wurden einzeln mit einer Pinzette ausgezupft oder sie sollen, han-
delte es sich um größere Flächen (z. B. in den Achselhöhlen), angeblich mit Hilfe einer
»har fressend arzney«, d. h. einer Paste, die aus gelöschtem Kalk, Meerschaum, Blut von
Fröschen und Schnecken, Ameiseneiern oder Eidechsenöl bestand, entfernt worden
sein.103 Hatte diese Prozedur wirklich Erfolg, dürfte er wohl eher auf Aberglauben als
auf die Ingredienzien dieser merkwürdigen Salbe zurückzuführen sein. Vermutlich half
sie aber nicht und man musste auf ein Rasiermesser zurückgreifen.
Regelmäßiges Kopfwaschen mit Seife oder einer Aschenlauge, alle ein bis zwei Wo-
chen, mindestens einmal im Monat, galt als unerlässlich. Kopfwaschen diente nicht nur
der Sauberkeit, sondern es sollte auch das Wohlbefinden des Gehirns fördern.104 Gab
es einen eigenen Barbier im Ort, waren Auseinandersetzungen mit ihm unvermeidlich.
Oft einigte man sich darauf, dass der Bader nur in der Badestube die Haare schneiden
und den Bart scheren durfte, dies ihm aber außer Hauses untersagt wurde.105
Mehr Gewinn als das Baden versprach das Aderlassen und besonders das Schröp-
fen. Nach der Lehre von den vier Körpersäften (Blut, Schleim, gelbe und schwarze
Galle) geriet ihre Zusammensetzung immer wieder in ein Ungleichgewicht, was zu
korrigieren war, um Krankheiten zu vermeiden. Der Aderlass bot eine Möglichkeit,
die »schlechten Säfte« zu entfernen. Dabei wurde das Blut am Arm durch eine Binde
gestaut und die hervortretende Vene mit einem Schnepper, Lasseisen oder einem Mes-
serchen (Lanzette) angeschnitten. Das entweichende Blut, zwischen 90 und 120 Milli-
liter106, fing man in einem Schälchen oder Becken auf. Lasskalender, -zettel und -tafeln
unterrichteten über die günstigste und ungünstigste Zeit zum Aderlass, wobei man
Gestirnskonstellationen zu Grunde legte.
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Untertitel
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Autor
- Robert Büchner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute