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Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
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So stellten sie Seife her, fertigten und verkauften Badehüte aus Stroh, auch schon ein-
mal geflochtene breite Strohhüte gegen die Sonne, sie schliffen Scheren und Messer,
nicht nur die eigenen, sondern auch fremde, sehr zum Unwillen der Schmiede und
Schleifer. Sie reinigten Brunnen und Öfen, die sie auch setzten, waren mancherorts Ka-
minkehrer, bisweilen auch Glaser und Kannenreiniger. Wenn man in der ehemaligen
Badstube von Zwettl einen Destillierhelm entdeckt hat
– ein solcher Fund ist für Bade-
häuser einmalig –, so ist anzunehmen, dass der Bader den Hut zur Herstellung von
gebrannten Wässern für Heilzwecke verwendet hat, doch ist auch eine Produktion von
Branntwein nicht ausgeschlossen. Denn ein Zwettler Bader hatte Ende des 17. Jahr-
hunderts auch eine Lizenz zum Alkoholausschank.119 Die Bader wurden vom Gericht
zum Beschauen von tödlichen und nichttödlichen Wunden, sogar zum Öffnen von
Leichen herangezogen, die ihnen in Ulm vorgeschriebene Leichenwäsche leisteten sie
aber – verständlicherweise – unwillig.120 Wollte allerdings ein Bader zu geschäftstüch-
tig sein und schädigte dadurch ein städtisches Gewerbe, dann stieß er auf Widerstand.
So lehnte 1660 der Rat dem Haller Bader Jakob Mayr sein Ansuchen, im Bad auch
Bier ausschenken zu dürfen, mit der Begründung ab, niemand dürfe in Hall gleichzei-
tig zwei Gewerbe ausüben und im Übrigen habe die Stadt schon fünf Bierschenken.121
Wie andere Handwerker wurden auch die Bader und ihre Knechte zum Löschen
eines Feuers herangezogen. Sie hatten, was die Verordnungen vieler Städte erkennen
lassen, mit Eimern, Badeschaffen und Zubern herbeizueilen und bei der Brandbe-
kämpfung zu helfen. Während die Münchner Stadtväter 1420 zwölf auf eigene Kosten
angeschaffte Löschzuber in den Badestuben bereithalten ließen, weil dort stets reich-
lich Wasser zur Verfügung stand
– 1421 waren es weitere 25 Zuber –, stellte der Wiener
Rat 1534 jedem der elf noch in der Stadt vorhandenen Bader zehn Ledereimer zu,
1639 und 1688 befahl er seinen Badern, ihre »Ganter« (Bottiche) stets voller Wasser zu
halten, um für den Notfall gewappnet zu sein. Würzburg forderte im 16. Jahrhundert
sogar den Einsatz des weiblichen Badepersonals, während sonst zur Feuerbekämpfung
nur die Meister, ihre Knechte und die Lehrjungen genannt werden.122
Anhaltende Hitze und Dampf machen durstig. So verwundert es nicht, dass man
den Badern nachsagte, sie schauten gern zu tief ins Glas.123 Dieser Vorwurf wird sie
weniger getroffen haben – schließlich galten die Deutschen überhaupt als sehr trink-
freudig, als dass man sie regional mit dem Makel der Unehrlichkeit belegte und an den
Rand der Gesellschaft drängte, indem man ihnen verbot, Waffen zu tragen, sie von
einzelnen Bruderschaften und Zünften ausschloss, sie nicht in den städtischen Rat auf-
nahm. Eine solche Diskriminierung der Bader lässt sich für einzelne Orte im Norden,
Westen und in der Mitte des Reiches nachweisen, aber bislang nicht im Süden, auch
nicht in Österreich und Tirol.
Die Gründe für die Stigmatisierung der Bader (und Chirurgen) sind nicht völlig
geklärt. Ihr oft schamloses Auftreten in leichter Bekleidung schadeten ihnen ebenso
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Untertitel
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Autor
- Robert Büchner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute