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Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
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1.6 Die Trinkstube
Johannes Cramer spricht von Gesellschaftsräumen im Obergeschoss der Badhäuser, in
denen es zu »allerlei Ausschweifungen und Gelagen« kam. Birgit Tuchen stellt diese
Behauptung in Frage, weil die Baubefunde und Schriftquellen nichts von Gesell-
schaftsräumen in öffentlichen Badhäusern erkennen lassen. Wohn-, Schlaf- und Ge-
sellschaftsräume für Gäste hätten wir nur in Kurbädern zu erwarten, meint sie140, und
sie ist zum Teil im Recht. Alle Bilder (Stiche, Radierungen, Gemälde), die fröhliches
Schmausen und Zechen sowie geselliges Treiben in Bädern zeigen, beziehen sich auf
Kur-, Wild- und Thermalbäder141, Badebordelle142 oder private Bäder der gehobenen
Gesellschaft in Haus und Garten.143 Sieht man wirklich einmal Besucher eines öffent-
lichen Bades, in diesem Fall Frauen, in drei Zubern sitzen, über die sich eine breite
Planke mit Speisen und Getränken zieht,144 dann handelt es sich um ein besonderes
Ereignis, nämlich um eine Brautbad, ein Hochzeitsbad (s. u.).
Doch ist nicht zu bestreiten, dass auch in städtischen Badhäusern getrunken und
gegessen wurde, manchmal auf sehr primitivem Niveau. Ein Schwitz- oder Wannen-
bad konnte sich Stunden hinziehen, Hitze macht durstig, so dass dann einer »etwan
mit seinem Weib oder sonsten einem guten Freund sitzet und ein Kändele drey/vier
Wein neben guten Sträublen außleeret, damit in seinem Leib innen nicht etwan das
Vacuum rusticum entstehe«, schreibt Guarinonius und meint damit, der Wein müsse
den abgegangenen Schweiß an Flüssigkeit ersetzen.145 So manierlich er sich hier noch
äußert, einige Seiten später zieht er gegen das Fressen und »ungehewre, lasterhaffte
unnd bestiälische Vollsauffen« in den Statdbädern vom Leder. In ihnen, grollt er, lasse
man alle Zurückhaltung fallen,
»in dem man in den Schweißbädern nach der Bauß frißt und trinckt, und einer nicht wol
underschiden kan, ob das Schwitzbad ein Bad- oder aber ein Freß- oder Sauff- oder Unzucht-
und Luderhauß sey, darauß eben die größten Suchten und Ungelegenheiten den thorechten
Menschen widerfahren«.146
Hundert Jahre früher urteilte Antonio de’ Costabilis, ein Gesandter Ferraras zu Kö-
nig Maximilian, nicht besser über die Zustände in deutschen Bädern. Die Männer,
schreibt er, die genauso übel riechen wie die Frauen, zechen an Festtagen (auch davor
und dazwischen) in stinkenden Schwitzbädern, grölen darin so herum, dass es von den
Wänden widerhallt, würfeln, verschütten dabei den Wein und fordern lauthals jeden
Eintretenden zum Mittrinken auf.147
Beide Autoren übertreiben gewaltig, wenn sie nur Unmäßigkeit und schlechte Sit-
ten sehen,148 doch es entspricht den Tatsachen, dass auch in den gemeinen Bädern
gegessen und getrunken wurde,149 oft schon während des Badens, sonst in der Regel
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Untertitel
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Autor
- Robert Büchner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute