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Das Badewesen bis ins 16. Jahrhundert
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schnell und grundlos der Hurerei verdächtigen, ihnen unterstellen, einst Prostituierte
gewesen zu sein und sich gelegentlich weiterhin zu preiszugeben. Es gab aber auch übel
beleumdete Bäder, ohne dass sie schon Bordelle waren, in denen sich die Bademägde
zu Liebesdiensten verschiedener Art bereitfanden oder in denen sich mit Billigung des
Baders Huren aufhielten.159
Zum Konzil von Konstanz z. B. sollen 700 gemeine Frauen gekommen sein, von de-
nen viele in Badstuben wohnten.160 Wenn 1486 den Badern in Breslau geboten wurde,
keine Dirnen zu beherbergen, in Straßburg der Rat Ende des Mittelalters verfügte,
kein Bader dürfe eine ehemalige Prostituierte als Magd anstellen, es sei denn, sie habe
sich gebessert, wenn die Badestuben in Brünn am Fuße des Spielbergs und zu St. Le-
onhard in Basel besonders verrufen waren, Luzern das Spielen und Übernachten von
Fremden in Badestuben verbot, 1514 ein Würzburger Bader entfernt werden musste,
weil er viele Uneheliche und »verleumutte« Frauen ihr unziemliches Wesen im Bad
hatte treiben lassen, wenn bereits im 13. Jahrhundert behauptet wurde, fast alle Wie-
ner Badstuben seien Winkelbordelle,161 dann wirft das kein gutes Licht auf die Bader.
Doch ein verallgemeinerndes negatives Urteil über solche Zustände wäre zu ein-
seitig. Betrachtet man die erwähnten Orte in Deutschland und im Ausland, in denen
es Badebordelle gab, stellt man fest, dass es sich nur um einige wenige mittlere und
größere Städte handelt.162 Und was ist mit den Kleinstädten unter 2.000 Einwohnern,
die im Reich fast 95 % aller Städte ausmachten ? Man hört so gut wie nichts über
Unsittlichkeit in ihren städtischen Bädern, geschweige denn über Hurerei und andere
Liebesdienste. Das vermerkt auch Moser zu Hall, obgleich hier reiche Quellen vom
Stadtrat vorliegen.163 Dasselbe Ergebnis liefert Rattenberg.
Obgleich die Ratsherren rasch bei der Hand waren, ungebührliches Benehmen
(Randalieren, nächtliche Ruhestörung, Ungehorsam gegen Rat und Bürgermeister,
Trunkenheit, Übertreten der Sperrstunde, Beleidigungen, Prügeleien usw.) mit ein,
zwei oder mehr Gulden und Einsitzen auf dem Tor oder im Turm zu bestrafen – das
verraten die Ratsprotokolle und Stadtrechnungen
– , findet sich nicht ein einziger Ein-
trag, der moralisch ärgerliche Zustände im Bad, schon gar nicht sexuelle Ausschwei-
fungen betrifft. Das lässt nur den Schluss zu, dass es im Rattenberger Badhaus nicht zu
schwer wiegenden Verstößen gegen die Sittlichkeit gekommen ist.164
Wenn es vermutlich auch darin fröhlich, laut und locker zugegangen ist, sah offen-
sichtlich der Rat keinen Grund zum Einschreiten, solange sich alles in erträglichen
Grenzen hielt. Eine gewisse Ungezwungenheit gehörte eben zum Badevergnügen, man
war ja schließlich nicht auf einer Beerdigung. Außerdem hätte zumindest die männ-
liche Jugend keine große Freude an den Bademägden gehabt, denn die Reiberinnen
im Rattenberger Frauenbad wurde von gesetzten Matronen gestellt, gemischte Bade-
stuben kannte man hier wie anderswo auch nicht und in der Männerstube bediente
sowieso kein weibliches Personal.165
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Untertitel
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Autor
- Robert Büchner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute