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Das Badewesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert
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allerdings das Bestreben anhielt, steht auf einem anderen Blatt (s. u.). Nur meinte man
damit nicht schon ein separates Badezimmer. In der Literatur werden als Zeugen dafür
immer wieder die prächtigen Renaissancebäder der Fugger und des Ambrosius Höch-
stetter in Augsburg sowie die Badstuben des Mainzer Domherrn von Hattstein und
des wohlhabenden Nürnberger Patriziers Anton Tucher genannt.194 Das alles war die
Ausnahme. Ein privates Bad bedeutete in dieser und späterer Zeit meist nichts anderes
als Baden zu Hause in einem Zuber. Das vorhin erwähnte Frauenzimmerlexikon von
1715 erklärt als Badstube : »Ist dasjenige Behältnis unten im Hause, worinnen sich das
Frauenzimmer zu baden pfleget«.195
Das »Behältnis«, die Wanne bestand schon längst nicht mehr allein aus Holz, die
sich feine Damen mit Tuch auslegen ließen, um sich keinen Splitter einzuziehen. Be-
liebt waren verzinkte Kupferwannen, die zwar teuer waren, aber gut die Wärme hielten.
Es gab Wannen aus Marmor oder verbleitem Holz, für Ärmere aus Blech, die man an-
strich, um Email vorzutäuschen. Im 18. Jahrhundert pflegte man vor der Gesellschaft
im Salon, im Schlafzimmer in kunstvoll gefertigten Möbeln mit Polstern oder aus
Rohrgeflecht zu baden, die geschickt das Blechbecken verbargen. Karl der Kühne hatte
eine Wanne aus Silber, die er sogar auf das Schlachtfeld mitgenommen haben soll.196
Keine eigene Badestube, ja manchmal nicht einmal ein eigener Zuber war ratsam,
wenn man zudringliche Nachbarn fernhalten wollte, wie das Beispiel des Kölner Rats-
herrn Hermann Weinsberg lehrt. Sein Vater hatte ihm geraten, keine eigene Badestube
zu errichten, sonst kämen Freunde und Nachbarn zum Baden, erwarteten einen ge-
deckten Tisch und Wein, von weiteren Kosten ganz abgesehen. Hermann schlug den
Rat in den Wind, ließ sich heißes Wasser in die Badebütte einfüllen und bald hatte
er die Nachbarn am Hals. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als 1579 einige Jahre
mit dem Badebetrieb auszusetzen.197 Separate Badezimmer in Kölner Bürgerhäusern
waren eben sehr selten,198 anderswo auch, und das noch lange Zeit. Sie galten bis ins 20.
Jahrhundert als ein »außergewöhnlicher Luxus der Wohnungsausstattung«.199
Der Durchschnittsbürger Frankreichs z. B. begnügte sich um 1800 mit einer tragba-
ren Badewanne, oft im Flur vor dem Wohnzimmer aufgestellt, nahe der Eingangstür,
um das Wasser nicht so weit schleppen zu müssen. In Deutschland wie Frankreich ließ
man sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts das Bad ins Haus liefern, mit warmem oder
kaltem Wasser in Behältern, mit Bademantel und Tuch.200 Oder man lieh sich wie
Goethe eine Wanne. 1809 wies er aus Jena seine Frau an, sie solle mit der Schubkarre
die geliehene Badewanne zum Eigentümer zurückbringen.201
Im 19. Jahrhundert wuchs in der feinen Gesellschaft, besonders bei den Damen, das
Bedürfnis nach einer privaten Badesphäre, nach einem Raum, wohin man sich zur
Körperpflege zurückziehen konnte. Die neben den Privatgemächern aufkommenden
Badekabinette enthielten zwar einfache Möbel, einen Waschtisch, Wasserkrug, eine
Schüssel, manchmal ein Bidet und einen Eimer für das Schmutzwasser, aber keine
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Untertitel
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Autor
- Robert Büchner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute