Seite - 97 - in Im städtischen Bad vor 500 Jahren - Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Bild der Seite - 97 -
Text der Seite - 97 -
Gabriel Freytag
97
Brüder nicht anstecken wollte, waren selten. Er litt an-
scheinend an einer Hautkrankheit und wagte deshalb
drei Jahre lang nicht, den Wärme- und Baderaum des
Klosters zu betreten, sondern ließ sich separat rasieren.459
Die stumme Magd Ursula des Klosters hat es allerdings
schwerer getroffen. Sie litt an der Gallischen Krankheit
und wurde vom Mesner zu Mehrn (bei Brixlegg) medizi-
nisch behandelt,460 wohl mit der berüchtigten Schmier-
kur.
Bürgermeister und Rat reagierten überaus vorsichtig,
sobald nur der entfernteste Verdacht auf Syphilis be-
stand. Im April 1524 kündigten sie dem Meister Hans
Kentler, weil er nicht zum Baderberuf taugte, aber noch
aus einem anderen Grund. Die Herren hatten anschei-
nend vernommen, dass »ain knabe und villeicht er selbst
auch mit der kranckhait Mala franzosa beladen sollt
sein«.461
Wenn Kentler wirklich die Syphilis hatte, dürfte er
sich bei der Behandlung eines seiner Badegäste oder Pa-
tienten angesteckt haben. Das war eben das Berufsrisiko
eines Baders und Wundarztes, dem 1549 der Rattenber-
ger Bader Matheus Paungartner erlag. In der Erbausei-
nandersetzung (April 1549) zwischen seiner Witwe und
den drei verheirateten Schwestern des Verstorbenen er-
fährt man, dass »maister Matheus in der salbn gelegen
[ist] an den frantzosen«. Wenn es nach den drei habgie-
rigen Schwestern, die sich um ihn in seiner Krankheit
nicht gekümmert hatten, gegangen wäre, hätte der selige
Meister Matheus an der Franzosenkrankheit »muessn erfauln«. Nur die Witwe habe
sich um ihn gekümmert, entrüstete sich ihr Rechtsbeistand.462 Demnach scheint die
Quecksilberkur erfolglos geblieben zu sein und Paungartner könnte schwer unter der
Syphilis gelitten haben, so schwer, dass er vielleicht den Freitod im Inn gesucht hat.
Denn er ist ertrunken und seine Leiche war beim Erbvertrag noch nicht gefunden.463
Das lange Siechtum und die heftigen Knochenschmerzen haben so manche verzwei-
felte Syphiliskranke dazu getrieben, aus dem Fenster oder in einen tiefen Brunnen zu
springen.464
1552 gebot der Rat dem erwähnten Hans Fäler, Leute, die die Franzosen oder eine
andere gefährliche Krankheit hätten, nicht aufzunehmen, um andere damit nicht an-
zustecken.465 Abb. 64 : Syphiliskranker ;
kolorierter Holzschnitt Albrecht
Dürers zu einem Flugblatt des
Nürnberger Stadtarztes Th. Ulsen
über die Syphilis, 1496.
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Untertitel
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Autor
- Robert Büchner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute