Seite - 16 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
Bild der Seite - 16 -
Text der Seite - 16 -
Zur
Forschungslage16
1250–1252 einsetzenden schrecklichen Verwüstungen Niederösterreichs durch Ungarn
und Kumanen … jede umfangreichere Kunsttätigkeit ausgesetzt habe22. Erst der rei
che Böhmenkönig Přemysl Ottokar II. 23 , dessen Herrschaft endlich das auch auf an
deren Gebieten beobachtete Aufblühen24 Österreichs gebracht habe , sei für die um-
fangreiche Bautätigkeit der Spätromanik verantwortlich gewesen , für die Donin
so viele Beispiele anführt25. Um seine Theorie von einem entwicklungsgeschicht-
lich verzögerten Eintritt der Gotik in Österreich durch ein konservatives Beharren
auf spätromanischen Bauformen des 12. Jahrhunderts bis weit nach der Mitte des
13. Jahrhunderts , und damit von einem wesentlich von Deutschland abweichen-
den stilistischen Gesamtbild , zu erhärten , stellte Donin 1915 einige Denkmäler
des Übergangsstils von der Spätromanik zur Gotik hinsichtlich ihrer Datierung
infrage , die gerade der älteren Literatur als Vergleichsgrundlage gedient hatten.
So erklärte Donin , dass der bestehende Bau der Stiftskirche Lilienfeld erst nach
( Przemysl ) Ottokar entstanden sei , möglicherweise erst 130026. Der gesamte Bau Her-
zog Leopolds VI. , über dessen Grundsteinlegung und Weihen urkundliche Belege
vorhanden sind27 , wäre bis auf das Südportal spurlos zugrunde gegangen. Weiters
meinte Donin , es sei ausgeschlossen , anzunehmen , dass die überlieferten gotischen
Bauteile und Bestandsskizzen der Capella Speciosa in Klosterneuburg tatsächlich
den 1222 urkundlich vollendeten Bau darstellten28. Donin nahm vielmehr an , dass
diese Kapelle 1318 verbrannt und 1322 in neuen Formen wiederaufgebaut worden
sei , wovon die vorhandenen Zeugnisse stammen müssten. Unter Zuhilfenahme
dieser Zerstörungstheorien errichtete Donin ein weitverzweigtes System von Spät-
datierungen der österreichischen Baukunst des 13. Jahrhunderts , welches jahr-
zehntelang Bestand haben sollte. Auch in seinen späteren Schriften bekräftigte
Donin seine These von der entwicklungsgeschichtlichen Rückständigkeit Öster-
reichs und vom wesentlich verspätet erfolgten Aufgreifen gotischer , also fortschritt
licher Stilformen in der Architektur immer wieder und bemühte sich , dafür weite-
re Beweise zu erbringen : Als ein Beispiel führte er etwa die Apsis der Ritterkapelle
im Stift Seitenstetten an , die wie ein frühromanischer Vorläufer zum Tullner Karner
anmutet , obwohl deren gesicherte Erbauung zwischen 1259 und 1261 … fällt29.
Richard Hamann , der die Thesen Donins aufgriff , versuchte den Entwick-
lungsrückstand in der Baukunst Österreichs im 13. Jahrhundert damit zu erklä-
ren , dass die traditionellen spätromanischen Bauformen schrittweise von West-
deutschland nach Osten über Mitteldeutschland , Sachsen , Ostdeutschland und
Böhmen nach Österreich abgewandert seien , wo sie schließlich von weiteren Mög
lichkeiten abgeschnitten , in sich selbst zu Grunde gegangen seien30. Die von Hamann
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur