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Die Bautätigkeit unter den Markgrafen und Herzogen von Österreich 37
Außenmauern und die T-förmige Gestaltung der Langhauspfeiler mit Lisenen-
vorlagen für die jochtrennenden Gurtbogen der Seitenschiffe wichtige Indizien
dafür seien , dass auch das Mittelschiff schon von Anfang an auf Einwölbung hin
angelegt war132. Wichtige Beobachtungen zur Struktur der Langhaus- und Vie-
rungspfeiler machte zuletzt Markus Thome133. Freilich lässt sich nicht sagen , ob
die grundsätzlich geplante Einwölbung sogleich im gesamten Langhausbereich
durchgeführt oder etappenweise verwirklicht worden ist. Tatsächlich könnte die
Münchendorfer Schenkung wesentlich dazu beigetragen haben , dass die zuerst nur
provisorisch flach gedeckte Kirche danach planmäßig eingewölbt wurde. Jeden-
falls erhielt das Mittelschiff eine wesentlich aufwendigere und modernere Ein-
wölbung als die Seitenschiffe , nämlich eine Folge von kuppeligen Bandrippenge
wölben auf Konsollisenen. Diese Art der Wandvorlagen , die nicht bis zum Sockel
der Pfeiler herabgeführt sind , sondern etwa in halber Höhe des Mittelschiffs auf
Konsolen enden , wurden bisher mit der Formenaskese der Zisterzienser erklärt134.
Neuerdings wird eine andere Ableitung in Betracht gezogen : Der Sohn Leo-
polds III. , Markgraf und später Herzog von Österreich Heinrich II. Jasomirgott ,
der dem Kloster Heiligenkreuz die Münchendorfer Schenkung gewährte , war in
erster Ehe mit Gertrud von Süpplingenburg ( Supplinburg ) , der Tochter Kaiser
Lothars III. , verehelicht. Kaiser Lothar hatte 1135 nächst seiner Stammburg das
Benediktinerkloster Königslutter gestiftet , wo er selbst , seine Gattin Kaiserin Ri-
chenza sowie sein erster Schwiegersohn , der Welfe Heinrich der Stolze , beigesetzt
wurden. Gertrud von Süpplingenburg war in erster Ehe mit Herzog Heinrich
dem Stolzen verheiratet gewesen , ihr gemeinsamer Sohn Heinrich der Löwe ist
ebenfalls in Königslutter begraben. Es bestanden also wichtige familiäre Zusam-
menhänge zwischen Heinrich II. Jasomirgott von Österreich und der kaiserli-
chen Stiftung Königslutter. Nun sind aber die Wandvorlagen im Mittelschiff der
Klosterkirche Königslutter ganz ähnlich gestaltet wie jene in Heiligenkreuz und
ebenfalls für die Aufnahme von Bandrippengewölben angelegt. Man könnte sich
das Baugeschehen in Heiligenkreuz so vorstellen , dass schon während des Auf-
baus der Obergadenmauern des Mittelschiffs in den Jahren 1141–1143 die Kon-
sollisenen analog zu Königslutter für die Aufnahme von Bandrippen hergestellt
wurden und dass mit der Münchendorfer Schenkung von 1147 zusätzliche Mittel
für die Durchführung der Einwölbung bereitgestellt wurden. Die babenbergische
Stiftskirche Heiligenkreuz wäre mit dem Zitat der kaiserlichen Klosterkirche Kö-
nigslutter gewiss bedeutungsmäßig aufgewertet worden135. Der Bauverlauf wird
vom ursprünglichen Chor im Osten ausgehend in drei Bauphasen rekonstruiert ,
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur