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Die Bautätigkeit des Bistums Passau in Österreich 51
die zwischen 1945 und 1948 am kriegsbeschädigten Wiener Stephansdom stattfan-
den , ergaben trotz ihrer mangelhaften Dokumentation , dass die Stephanskirche
des 12. Jahrhunderts ein Bau mit basilikalem Langhaus , Querschiff , Chorquadrat
und Chorapsis war und mit einer Länge von 83 m monumentale Größe besaß 184.
Untersuchungen von Alois Kieslinger zeigten , dass bereits dieser Bau ein West-
turmpaar hatte185. Von den sogenannten Heidentürmen ist stockwerkhoch auf-
gehendes Mauerwerk erhalten. Jüngste Forschungen von Rudolf Koch ergaben ,
dass auch die Außenseiten dieser Turmbauten noch teilweise in der bestehenden
Westfassade erhalten geblieben sind186. Die Fassadengliederung mit von Rundstä-
ben flankierten Lisenen an den Stirnseiten der Westtürme weisen Übereinstim-
mungen mit Gliederungselementen in der Schottenkirche und im Mittelschiff der
Stiftskirche Heiligenkreuz auf , was auf eine Entstehungszeit in der Regierungszeit
Herzog Heinrichs II. Jasomirgott schließen lässt187. Die innere Stützenverteilung
der Langhausarkaden konnte für den ersten Bauzustand nicht festgestellt werden ,
es gibt auch keine Beweise dafür , dass dieser Bau bereits durchgehend gewölbt
war. Immerhin erwiesen sich aber die einzigen noch aufrechtstehenden Räume ,
nämlich die Erdgeschosse der Heidentürme , als kreuzgratgewölbt. In der schwar
zen Kammer , der Erdgeschosskapelle des Südturmes , und in der gegenüberliegen-
den Teppichkammer im Nordturm sind Konsolen in der Form von Würfelkapitel-
len erhalten , die die ursprünglichen romanischen Kreuzgratgewölbe unterstützt
hatten. Diese Konsolen sind ihrer Form nach um 1150 datierbar ; eine erste Weihe
der Wiener Stephanskirche fand bereits 1147 unter Bischof Reginbert statt. Der
Westbau könnte daher bereits zehn Jahre nach Gründung der Kirche vollendet
gewesen sein ; hingegen bezweifelt man , dass die gesamte Anlage im Jahr dieser
ersten Weihe schon fertiggestellt war188. Marlene Zykan hat erstmals da rauf ver-
wiesen , dass für die Gestaltung der Eingangsfront , in Form einer Doppelturmfas-
sade mit einem repräsentativen Hauptportal , offensichtlich das Vorbild des otto-
nischen Pilgrimdoms in Passau herangezogen wurde189. Weiters meinte Marlene
Zykan , dass sogar die Bezeichnung Heidentürme aus der Erbauungszeit bis heute
ununterbrochen überliefert worden sein könnte und darauf zurückgeht , dass man
heidnisches Baumaterial , nämlich römische Quader , von der im 12. Jahrhundert
noch größtenteils aufrechtstehenden Umfassungsmauer von Vindobona beim Bau
wiederverwendet habe190. Alois Kieslinger hat auf die dementsprechende Stein-
bearbeitung der Quader im Erdgeschossbereich der Heidentürme hingewiesen ,
weiters auf die großen Scharhöhen bis zu 58 cm und auf die Art des Kalksandsteins
( Torton ) , wie er vor allem zur Römerzeit in Steinbrüchen südlich von Wien ge-
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur