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Die Voraussetzungen im 12.
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wonnen worden war191. Karl Oettinger hat darauf verwiesen , dass auch Steine mit
römischen Inschriften wiederverwendet worden seien , die man offenbar demonst-
rativ sichtbar eingemauert hat192.
St. Pölten
Das am Neubau der Wiener Stephanskirche beobachtete Geschehen blieb kei-
ne Einzelinitiative des Bistums Passau in Österreich. Gleichzeitig mit dem Bau
der Wiener Pfarrkirche wurde auch eine bauliche Erneuerung der Klosterkirche
St. Pölten in Angriff genommen. Das Kloster St. Pölten gehörte seit alter Zeit
zu Passau. Seine Gründung ist legendenumrankt. Propst Christoph Müller von
Prankenheim ( reg. 1688–1715 ) ließ in der Barockzeit die alte Haustradition nieder-
schreiben , wonach die Stifter des Klosters die aus Burgund stammenden Brüder
Adalbert und Otkar – Herzoge von Bayern – gewesen seien und Papst Zacharias
das Stift um das Jahr 746 mit Reliquien des heiligen römischen Märtyrers Hip-
polyt ausgestattet und dem Erzbischof von Lorch unterstellt habe. Ein Adeliger
namens Adalbert scheint tatsächlich um 765 als Laienabt des bayrischen Klosters
Tegernsee auf , von wo aus nach der Überlieferung die Gründung erfolgt sein soll.
Ein gloriosissimus dux Autkar wird 760 vom Papst in Rom empfangen , er könnte
der Bruder Adalberts und damit der zweite Gründer gewesen sein. Die neuere For-
schung nimmt allerdings an , dass die Gründung des Klosters tatsächlich nicht vor
dem Awarenfeldzug Karls des Großen erfolgt sei. Kirchliches oder gar klösterliches
Leben im Machtbereich der Awaren östlich des limes certus an der Enns erscheint
vor 791 unwahrscheinlich193. Max Heuwieser meint , dass die Gründung des Klos-
ters St. Pölten unter Bischof Hartwik von Passau ( reg. 840–866 ) erfolgt sei , der
auch Abt von Tegernsee war , was die Traditionsüberlieferung einer von Tegernsee
ausgegangenen Gründung verständlich machen würde194. Es bestehen Hinwei-
se , dass Passau von St. Pölten aus im 9. Jahrhundert bereits Ostmission betrieben
hat , wie Hippolyt-Patrozinien am Pöltenberg bei Znaim und auf dem Zoborberg
bei Neutra erkennen lassen. Sicher ist , dass Passau seit dem Jahre 823 Besitztümer
in St. Pölten hatte195. Das Bistum Passau berief sich auf seine alten Besitzrechte ,
als es darum ging , im 10. Jahrhundert nach Zurückwerfung der Ungarn die alten
Besitzverhältnisse in Österreich wiederherzustellen. Besitzansprüche des Klosters
Tegernsee auf St. Pölten nach 978 wurden von Passau erfolgreich abgewehrt.
Baureste aus karolingischer oder ottonischer Zeit wurden in St. Pölten bisher
nicht gefunden. Eine bauliche Erneuerung könnte unter dem Passauer Bischof
Perenger ( reg. 1013–1045 ) begonnen worden sein , der im Nekrologium des Klos-
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur