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Die Bautätigkeit im Gebiet des Erzbistums Salzburg in den Alpenländern 67
erfahrenen Barbati – bärtigen Laienbrüdern aus dem Mutter-
kloster im Elsass – ausgeführt244. Es entstand demgemäß eine
Kirche vom Typus der frühen burgundischen Zisterzienser-
anlagen , wie sie der 1145 geweihte Neubau der Klosterkirche
Clairvaux , errichtet vom Ordensarchitekt Achard , und die
Zister zienserabteikirche Fontenay ( erbaut 1139–1147 , geweiht
von Papst Eugen III. ) verkörperten245. Heute ist jedoch selbst
im Entstehungsland Frankreich kaum mehr ein Beispiel dieses
Bautyps unverändert erhalten , im deutschen Sprachraum exis-
tiert von dieser Bauform nur mehr die Kirche von Viktring.
Die in der Literatur fälschlich als romanische Pfeilerbasilika be-
zeichnete Anlage ist per definitionem eine frühgotische Wandpfeilerkirche. Über
dem Mittelschiff erhebt sich eine Spitztonne ohne Obergaden , im rechten Win-
kel dazu stehen Seitenkapellen , die ebenfalls mit Spitztonnen überwölbt und
untereinander durch spitzbogige Durchgangsöffnungen – wie in Fontenay – zu
Pseudo Seitenschiffen verbunden sind. Die Spitztonne im Mittelschiff ist durch
flache Gurtbänder über jeder zweiten Langhausarkade rhythmisiert ; diese Gur-
te ruhen auf Konsollisenen ( Abb. 14 b ). Das Langhaus der Kirche ist nur in
reduziertem Umfang erhalten ( Abb. 14 a ). 1843 wurde mehr als die Hälfte der
Anlage , nämlich der gesamte westliche Bereich der Konversen im Umfang von
fünf Arkadenschritten , abgebrochen. Auch der Ostbereich der Kirche ist nicht
mehr in ursprünglichem Zustand erhalten. Das mit Halbkreistonnen überwölb-
te , über die Langhausmauern nach Norden und Süden vorspringende Querschiff
hatte ostseitig je zwei quadratische Kapellenanbauten , von welchen die des nur
verkürzt erhaltenen Südflügels verschwunden sind , während die beiden Kapel-
len des Nordflügels durch Entfernen der Trennwand vereinigt wurden. Das ur-
sprünglich gerade geschlossene Chorquadrat wurde im 14. Jahrhundert mit einer
Polygonalapsis erweitert246. Obwohl das Kloster im Mittelalter florierte , bereits
um 1200 am Loiblpass ein Hospiz errichtete und Tochterklöster in Maria Land-
strass ( Kostanjevica ) in Slowenien und St. Jakob bei Agram ( Zagreb ) gründete ,
fand die ordensspezifisch schmucklose Architektur der Stiftskirche von Viktring
keine Nachahmung. Das wahrscheinlich früheste Auftreten gotischer Formen
im Gebiet des heutigen Österreich blieb ohne Folgen.
Abb.
14 a und b : Grundriss und Konstruktionsschema der Stiftskirche in
Viktring
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur