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Die Voraussetzungen im 12.
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Papst verlangten Wiedergutmachungen vom Bann lossprach , ist denkbar , dass
der Herzog zum Dank für die Absolution eine Stiftung zum Bau des Karners bei
der Salzburger Archidiakonatskirche Hartberg hinterließ. Für diese Vermutung
sprechen sowohl historische als auch stilkritische Überlegungen : So dürfte die
Wahl des heiligen Ulrich als Patron der Karnerkapelle auf Pfarrer Ulrich zurück-
gehen. Das auf die Sühnung der Hauptsünden durch den aus der Wurzel Jesse
hervorgegangenen Erlöser bezogene ikonografische Programm der Wandmalerei-
en im Inneren der Kapelle weist auf ein Sühneopfer als Stiftungsmotiv hin. Das
Programm ist auf Schriften des Scholastikers Hugo von Saint-Victor ( 1097–1141 )
zurückzuführen , welche sich tatsächlich im Besitz des hoch gebildeten Pfarrers
Ulrich befunden haben272. Der neben dem heiligen Ulrich in den Wandmalerei-
en der Apsis dargestellte Kleriker könnte Pfarrer Ulrich sein ( Abb. 22 b ) , der als
möglicher Kandidat für das in Hartberg geplante Bistum angesehen wird. Eine
Abflussrinne , die vom Kapellenraum des Karners ins Freie führt , lässt auf die er-
weiterte Funktion des Baus als Baptisterium schließen273 , was mit dem Plan der
Errichtung eines Bischofssitzes in Zusammenhang stehen könnte. Die hervorra-
gende Qualität der Bauausführung sowohl des Quaderwerks und der Bandrip-
pengewölbe als auch der Kapitellplastik des Karners lassen auf eine hochrangi-
ge Werkstatt schließen , wobei wegen der kirchenpolitischen Stellung Hartbergs
durchaus an einen Zusammenhang mit der Bauhütte des Salzburger Doms zu
denken ist. Der unter Erzbischof Konrad III. von Wittelsbach 1181 begonnene
und bis 1216 fortgesetzte Neubau des Doms wies die gleiche Ambivalenz spätro-
manischer Eigenschaften und erster gotischer Elemente auf wie der Karner von
Hartberg , wobei besonders die turmartige Wirkung des Rundbaus , dessen ver-
tikale Gliederung und die Ähnlichkeit der Kapitellplastik zu beachten sind. Die
Verbindung des in Mitteleuropa nördlich der Alpen verbreiteten Bautypus des
Karners mit der Funktion des Rundbaus als Baptisterium weist auf Einflüsse aus
Oberitalien hin , wo monumentale Baptisterien in Zentralbauform bis ins späte
Mittelalter große Bedeutung hatten. Bei der Erbauung des Salzburger Doms aber
spielten lombardische Einflüsse mit Sicherheit eine wesentliche Rolle274.
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur