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Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
90 platten. So besaß bereits die früheste Bauphase von Lilienfeld mit den gotischen
Rippengewölben und Elementen des Hallenbaus fortschrittliche Elemente , die
sich einerseits auf die vorausgegangene Bautätigkeit unter den Babenbergern , wie
dem Querhaus von Heiligenkreuz oder der Kartäuserkirche St. Mauritius in Gai-
rach / Jurklošter , zurückführen lassen , andererseits neue , aktuelle Motive aufzei-
gen. Wie eine Quelle besagt , habe Abt Marquard von Heiligenkreuz den Mönch
Gebhard und den Konversen Gerold als Baumeister nach Lilienfeld entsandt , die
für diese erste , entscheidende Bauetappe mit verantwortlich waren299.
Die zweite Bauphase der Klosterkirche Lilienfeld bestand im Bau des Halle-
numgangschors. Im Grundriss wurde dieser Bereich nach dem Vorbild der Kir-
che des Primärklosters Morimond sechsachsig angelegt300 und erstreckte sich wie
an der Kirche des Zisterzienserklosters Ebrach ab den Querschiffkapellen in vier
Jochschritten nach Osten301. Im Unterschied zu Morimond oder Ebrach wurde
der Chor in Lilienfeld aber nicht , in der Höhe gestaffelt , in einen inneren recht-
eckigen Umgang um den Hochchor und einen äußeren Kranz von Einzelkapellen
gegliedert , sondern als zweischiffige Halle gestaltet. In ihrer liturgischen Funkti-
on dienten allerdings die entlang der Umfassungsmauer gelegenen äußeren Hal-
lenjoche dennoch als Einzelkapellen : Jedes Quadratjoch enthielt einen Altar , wo-
bei die zugehörigen Kredenz- bzw. Lavabonischen noch heute an der Innenwand
der Chormauern erhalten sind ( Abb. 30 )302. Die Gewölbe der Hallenjoche ruhen
auf Polygonalpfeilern über hohen Postamentsockeln , zwischen denen Schranken-
wände errichtet waren , die den Sichtkontakt zwischen den Jochen trennten und
die Aufstellung von Altären an den jeweiligen Ostseiten der Hallenjoche ermög-
lichten303. Die Gewölbe des Hallenchors besitzen spitzbogige Bandrippen mit
aufgelegten Birnstäben ; ihre Anläufe am Kämpfer sind steinmetzmäßig nach dem
französischen Tas de charge Prinzip gearbeitet. Die Kapitelle im Hallenchor sind
einheitlich gestaltet und erscheinen als Friese aus überkreuzt verflochtenen Lilien-
blüten wie die Weiterentwicklung der Kapitelle des Südquerhauses ( Abb.
31 ). Der
Hallenchor weist Rundbogenfenster mit profilierten Schräggewänden auf ; außen
ist der Chor mit Strebepfeilern in zweierlei Größen versehen.
Wie Bernd Nicolai nachweisen konnte304 , muss noch vor Vollendung der Ge-
wölbe des Hallenchors ein Einsturz des nördlichen Querhausflügels und des Hoch-
chor-Mittelschiffs erfolgt sein. Es kam in der Folge zu einer Wiederherstellung
der Gewölbe im Nordquerhaus , wobei fortschrittlichere Rippenprofile , skulptierte
Schlusssteine und Kapitellkonsolen mit neuartigen kleinteiligen Kelchkranzfor-
men Anwendung fanden. Der nördlichste Pfeiler der Querschiff arkaden wurde
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur