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Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
94 sen ins Ordensmilieu der Zisterzienser , sie erscheinen den mit Fackeln vergleich-
baren Konsolkapitellen im Kapitelsaal des Klosters Bebenhausen verwandt318.
Die spitzbogigen Bandrippengewölbe der ältesten Querhausteile von Lilienfeld
besitzen dagegen Ähnlichkeit mit jenen der im Auftrag Leopolds VI. ab 1209 errich-
teten Kartäuserkirche Gairach / Jurklošter in der Südsteiermark. Das Südportal der
Stiftskirche Lilienfeld vom Kreuzgang in das östlichste Langhausjoch wurde schon
von Richard Kurt Donin als auffallend altertümlicher eingestuft als die übrigen
Bauglieder der Kirche , es lässt sich formal aus der lokalen Bautradition des 12. Jahr-
hunderts in Österreich ableiten319. Daraus ist der Schluss zu ziehen , dass die bauli-
che Umsetzung der ersten Planungsphase in Lilienfeld nicht ausschließlich Zister-
zienserbauleuten oblag , sondern in Gemeinschaft mit Werkleuten anderer Herkunft ,
die dem Stifter Herzog Leopold VI. zur Verfügung standen , durchgeführt wurde.
Den Baukünstlern der zweiten Errichtungsphase waren hoch aktuelle Errun-
genschaften französischer Gewölbebildung , wie das Tas de charge System von
Chartres , bereits geläufig. Die schlanken Polygonalpfeiler im Hallenumgang-
schor und die verfeinerten Formen der Lilienkapitelle reflektieren einen zeitge-
mäßen Erfahrungsstand aus dem Bereich der Zisterzienserarchitektur. Für die
Entscheidung , das Grundrissschema von Morimond als Hallenumgangschor zu
verwirklichen , fand Bernd Nicolai ein Vergleichsbeispiel in der Zisterzienserkir-
che von Walkenried : Auch dort wurde in der zweiten Bauphase aus dem Grund-
rissvorbild von Morimond ein dem Lilienfelder ähnlicher Umgangschor entwi-
ckelt320. Aber auch im zweiten Baustadium wirkten in Lilienfeld konservativ
orientierte Bauleute mit , wie die altertümlichen Rundbogenfenster mit Trichter-
gewänden erkennen lassen.
Die dritte Bauphase , deren Haupt aufgabe
zunächst die Instandsetzung des eingestürzten
Querhausnordflügels und des Chorhauptes war ,
wurde offensichtlich von einer neuen Grup-
pierung fortschrittlicher , bautechnisch beson-
ders befähigter Werkleute übernommen. Auf
diese Baukünstler gehen die Anwendung des
Architekturmotivs der polygonalen Hochcho-
rapsis und die Errichtung von Strebebogen an
Presbyterium und Nordquerhaus zurück. Die
Abb.
34 : Kapitelsaal des Zisterzienserstifts Lilienfeld
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur