Seite - 97 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
Bild der Seite - 97 -
Text der Seite - 97 -
97Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
lichen Wohlstand erreicht. 1221 gab Herzog Leopold VI. der Stadt Wien und ih-
ren Bürgern ein Stadtrecht. Unter seiner Regierung wurde auch eine umfangrei-
che Stadterweiterung vollzogen. Wien erhielt eine neue Stadtmauer , die bald mit
zahlreichen Wehrtürmen verstärkt wurde ; sie war mit einer Länge von 4 ,5 km die
größte Stadtbefestigung in Österreich326. Der materielle Besitz – der Schatz – der
Babenberger hatte sagenhafte Größe. Zugleich mit dem politischen Aufstieg
ereignete sich in Österreich eine kulturelle Blütezeit. Unter Leopold V. , Fried-
rich
I. , Leopold VI. und Friedrich II. war der Babenbergerhof ein Mittelpunkt der
ritterlichen Dichtung in Europa : Die Dichtkunst nahm hier eine ganz neuartige
Entwicklung , indem überlieferte Heldenlieder zu großartigen Epen umgeschrie-
ben wurden (Nibelungenlied , Gudrunepos , Spielmannsepen ). Daneben wurde die
Dichtung der Minnesänger wie Reinmar von Hagenau , Neidhart von Reuenthal
und besonders Walther von der Vogelweide eifrig gefördert.
Auch auf dem Gebiet der bildenden Kunst waren im Bereich der von den Ba-
benbergern gegründeten oder geförderten Klöster Werke von höchstem Quali-
tätsniveau in ganz Europa entstanden , allen voran der sogenannte Verduner Al
tar des Meisters Nikolaus im Stift Klosterneuburg von 1181327 , aber auch Werke
der Buchmalerei in den Skriptorien von Melk , Zwettl , Heiligenkreuz und Rein.
Gleichzeitig mit dieser Kunstentfaltung ist seit der Wende vom 12. zum 13. Jahr-
hundert auch eine Entwicklung neuer Strömungen in der Architektur zu beobach-
ten. Einerseits war dies in der Suche nach einer adäquaten repräsentativen Selbst-
darstellung des Landesfürsten begründet. Wie schon unter Markgraf Leopold III.
lag auch um 1200 das Hauptgewicht der Initiative für eine zeitgemäße , moderne
Baukunst bei den Babenbergern. Man darf davon ausgehen , dass schon Herzog
Leopold V. bei seinen beiden Reisen ins Heilige Land von den damals neuesten
Werken der Burgen- und Kirchenbaukunst der Kreuzfahrer nicht unbeeindruckt
geblieben war , die auf dem damals modernsten Stilniveau der Gotik Westeuropas
standen. Diese bis dahin in Österreich noch kaum bekannten Bauformen auch an
den Babenbergerhof zu bringen , musste ein vordringliches Anliegen sein. Diesem
Bestreben kamen die ersten Werke der neuen Richtung entgegen , die von den
Kartäusern im südsteirischen Randgebiet des Babenbergerbesitzes ( Laško / Tüf-
fer ) entstanden. Herzog Leopold VI. ergriff die Gelegenheit , sich über den Prior
des Kartäuserklosters Ziče / Seitz , mit welchem er 1207 gemeinsame kirchenpoli-
tische Pläne schmiedete328 , die Mitwirkung jener fortschrittlichen Bauleute für
seine eigenen Projekte zu sichern , die von den Kartäusern aus Frankreich mitge-
bracht worden waren.
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur