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99Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
Profilrahmen der Triforienfenster
lassen Ansätze einer neuartigen
Fassadenbildung erkennen , die seit
dem späten 12. Jahrhundert im
Profan bau Frankreichs aufgekom-
men war.
An der Nordostecke der Herzogspfalz ließ Leopold VI. den Neubau einer Hof-
kapelle errichten , die wegen ihrer prachtvollen Erscheinung den Namen Capel-
la Pulchra , Capella Marmorea oder Capella Speciosa erhielt. Diese Anlage wurde
1222 von Bischof Gebhard von Passau eingeweiht. Obwohl die Capella Specio-
sa im Jahre 1799 abgebrochen wurde , ist sie aus historischen Darstellungen , ar-
chäologischen Fundamentgrabungen und repräsentativen Bauresten schlüssig
dokumentiert und theo retisch rekonstruierbar332. Die von der Capella Speciosa
in der Franzensburg in Laxenburg erhalten gebliebenen und wiederverbauten Ar-
chitekturteile wie Blendarkaden , Gewölbedienste , Wandverkleidungen und ein
abgetrepptes Trumeau-Portal ( Abb. 38 , 39 a , 39 b , 39 c , 39 d ) haben wegen ihrer
hervorragenden Bearbeitungsqualität und Materialwirkung schon im 19. Jahr-
hundert das Interesse der Bauforscher geweckt und im Jahre 1861 Architekt Au-
gust Ottmar Ritter v. Essenwein ( 1831–1892 ) zur Ausarbeitung einer detaillier-
ten Rekonstruktionsstudie333 veranlasst. Eine wichtige Quelle für Essenwein war
die in Klosterneuburg verwahrte Zeichnung des Augustiner-Chorherrn Benedikt
Prill aus der Zeit um 1750 , welche die Außenseite der Kapelle von Norden und das
Innere mit der Blickrichtung nach Süden zeigt ( Abb. 40 )334. Wichtige neue Auf-
schlüsse brachten die Ausgrabungen der Grundmauern der Kapelle in den Jah-
ren 1953 / 1954335 , die aber auch beträchtliche Abweichungen gegenüber den An-
nahmen Essenweins ergaben ( Abb. 37 ). In den letzten Jahren wurde der Versuch
unternommen , mithilfe der Computertechnik eine von Grund auf überarbeitete
virtuelle Rekonstruktion der Capella Speciosa in Theorie und Bilddarstellung zu
entwickeln ( Abb.
42–45 )336.
Gesichert ist , dass die Kapelle im Westen eine quadratische Vorhalle hatte.
Das darüber befindliche Obergeschoss war zweigeteilt ; die östliche Hälfte öffnete
sich in Form einer Empore zum kreuzrippenüberwölbten Saalraum der Kapelle
Abb.
37 : Grabungsplan der Ausgrabun-
gen der Capella Speciosa in Klosterneu-
burg ( 1953 / 1954 )
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur