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Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
104 terebene ist vom Gerüst der Gewölbeträger deutlich getrennt. Mit der Über-
nahme dieses Wandsystems orientierte sich die Gestaltung der Capella Speciosa
an einer in Frankreich selbst damals hochaktuellen Entwurfsform. Die Grund-
steinlegung zum Neubau der Krönungskathedrale von Reims war erst 1211 er-
folgt , der Bau wurde im Bereich des Umgangschors begonnen. Als Erste der
Chorkranzkapellen fertiggestellt war 1221 die dem heiligen Jakobus geweih-
te Kapelle in der Mittelachse der Kathedrale. Das Trumeauportal in der Vor-
halle der Capella Speciosa folgte dem Vorbild der Tore des Nordquerschiffs der
Kathedrale von Laon. Es handelt sich bei den Portalen in Laon gleichermaßen
um Trumeauportale , welche paarweise rechteckige Türöffnungen besitzen , die
mit spitzbogigen Blendarkaden umrahmt sind. Umschlossen ist diese Konfi-
guration von einem gestuften Portalrahmen , der im senkrechten Gewändeab-
schnitt mit Säulenvorlagen instrumentiert ist , denen im Bogenbereich profilier-
te Archivolten zugeordnet sind. Die Bogenfelder über den Rechtecktüren und
das Feld zwischen den paarweisen Blendarkaden und dem Portalrahmen sind
in Laon wie auch beim Portal aus Klosterneuburg schmucklos glattflächig. Die
Portalsäulen stehen in beiden Fällen auf markanten Postamenten. Willibald Sau-
erländer datierte die Fassade des nördlichen Querschiffs der Kathedrale von Laon
zwischen 1170 und 1185341. Dieter Kimpel und Robert Suckale wiesen jedoch
da rauf hin , dass erst 1205 die Schenkung des Steinbruchs von Chermisy an das
Domkapitel von Laon erfolgte und dass aus diesem Stein sämtliche Bauabschnitte
der Kathedrale östlich des Langhauses hergestellt worden seien , die zwischen 1205
und 1215 erbaut wurden ; dazu wäre auch das Nordquerhaus mit seinen Portalen
zu zählen342. Die Blendarkaden der Klosterneuburger Kapelle mit ihren Knos-
penkapitellen in naturalistisch wiedergegebenen Blattformen , die ausladenden
Tellerbasen der Säulen sowie die charakteristischen Blattsporne an den Kämp-
fergesimsen entsprechen bis ins Detail den Formen der Kathedrale von Auxerre ,
deren Bau 1215 unter Förderung durch den König von Frankreich von Bischof
Guillaume de Seignelay begonnen worden war343. Weitere Ähnlichkeiten beste-
hen zur Kirche der Viktorinerabtei Saint-Jean in Sens , zur Stiftskirche Notre-Da-
me in Villeneuve-sur-Yonne und zur erzbischöflichen Kapelle bei der Kathedrale
von Reims. Offensichtlich war es Herzog Leopold VI. gelungen , Baukünstler ver-
mittelt zu bekommen , die an den fortschrittlichsten , anspruchsvollsten Werken
der Architektur im Auftrag des französischen Königshofes mitgewirkt hatten.
Die konstruktive Bewältigung des komplizierten Wand- und Gewölbeaufbaus
und die hervorragende bildhauerische Qualität der Kapitellplastik und der übri-
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur