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107Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
muss die Kirche … auch in Karls Augen als Exemplum einer Gattung erschienen
sein350 , sodass er deren Nachbildung topisch zur herrscherlichen Selbstdarstellung
in seiner neuen Hauptstadt Aachen und zugleich als Stiftung für den Bestand des Rei
ches351 einsetzte. Trotz der von Albert Verbeek vorgebrachten Einwendungen , dass
die Pfalzkapelle in Aachen keine genaue Kopie , sondern eine selbständige Umsetzung
des Bautypus der herrscherlichen Palastkapelle sei352 , war damit ein vorgegebener
topischer Inhalt übernommen und mit verstärkter Bedeutung für das Abendland
neu konstituiert worden , der in der Folge eine gezielte Nachfolge erfuhr.
Die architekturikonologischen Nachbildungen von Aachen unterscheiden sich
in der Form ihrer Überlieferung und in formaler Hinsicht. Einerseits sind Bau-
ten entstanden , die die wichtigsten , unverwechselbaren Gestaltungselemente der
Aachener Pfalzkapelle wiederholten und so als Nachfolgebauten klar erkennbar
waren353. Daneben gab es Nachfolgebauten der Aachener Topik , die auf andere
als königliche Stifter zurückgehen und doch sowohl formal als auch vom mit-
telalterlichen Verständnis her mit Aachen in Verbindung standen354. Anderer-
seits wissen wir aus schriftlichen Überlieferungen , dass es Nachbildungen der
Pfalzkapelle zu Aachen gegeben hat , die von der Stiftung her als solche gedacht
waren oder die nach dem mittelalterlichen Verständnis dafür gehalten wurden ,
von denen wir jedoch keine substanziellen Zeugnisse besitzen , um überprüfen
zu können , ob auch enge formale Beziehungen dieser Anlagen mit Aachen be-
standen haben355. Weiters sind jene Bauten zu nennen , die zwar nach Aussage
von Urkunden als Nachfolger der Aachener Pfalzkapelle intendiert waren , die
Zentralgrundriss besaßen , formal tatsächlich aber nur sehr begrenzte Überein-
stimmungen mit dem Vorbild aufweisen356.
Ab dem 12. Jahrhundert wurde die Nachbildung der Aachener Pfalzkapelle als
architekturikonologischer Topos obsolet. Matthias Untermann stellte fest , es sei-
en weder unter den späten Saliern noch unter den Staufern … Kirchenbauten ent-
standen , die das Vorbild der Aachener Marienkirche erkennen lassen357. Dagegen
fand Walter Hotz , dass beim Bau von Burgkapellen die Neigung zu regelmäßigen
Polygonen , die sich letztlich auf die karolingische Pfalzkapelle von Aachen berufen
kann … auch in salischer und frühstaufischer Zeit weitergeführt wurde358.
Ähnlich verhält es sich mit den
Doppelkapellen auf den Pfalzen der
Stauferzeit. Die Kapelle der Kaiser-
burg in Nürnberg , deren Ausbau
unter König Konrad III. ( gest. 1152 ) Folgende Doppelseiten:
Abb.
44 : Rekonstruktion der Capella Speciosa von Klosterneuburg ,
Innenansicht nach Osten
Abb.
45 : Rekonstruktion der Capella Speciosa von Klosterneuburg ,
Innenansicht nach Westen
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur