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133Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
der hier geforderten künstlerischen Disziplinen konnten die zu dieser Zeit in Ös-
terreich tätigen einheimischen Bauleute ein auch nur annähernd vergleichbares
Qualitätsniveau aufweisen. Die Vermittlung einer so perfekten Mannschaft von
Baukünstlern , die über Kenntnisse einer in Frankreich selbst gerade hochaktuel-
len , an königlichen Bauaufgaben angewandten Stilsprache verfügte , kann nur auf
höchster Ebene – von Fürstenhof zu Fürstenhof – erfolgt sein. Man muss dabei be-
denken , dass die hoch qualifizierten Baukünstler dieser Stilrichtung zur gleichen
Zeit an einer ganzen Reihe von teils begonnenen , teils in Fertigstellung begriffe-
nen Großkirchenbauten ( Kathedralen von Reims , Auxerre und Paris ) selbst drin-
gend benötigt wurden. Sie an einen fremden Fürstenhof zu entsenden , war daher
ein außerordentliches Entgegenkommen und hatte zweifellos den Charakter einer
persönlichen Auszeichnung und hohen Wertschätzung für den Empfänger.
Wie die aufgezeigten Stilvergleiche erkennen lassen , war die an der Capella
Speciosa tätige französische Werkmeister-Gruppe vornehmlich von charakteris-
tischen Konstruktions- und Detailformen der zur gleichen Zeit tätigen Baustel-
len der Kathedralen von Reims , Auxerre und Laon geprägt. Auf das Vorbild der
Chorkranzkapellen der Kathedrale von Reims ist der differenzierte Wandaufbau
im Inneren der Capella Speciosa zurückzuführen , die Bauplastik der Kapitelle
und Profilierungen rekurriert auf Auxerre , das Portal erscheint klar von Laon ab-
leitbar. Vorstellbar wäre , dass der leitende Baukünstler dieser Maestranz inner-
halb weniger Jahre nacheinander an den drei genannten Plätzen gearbeitet hat ,
wobei er in Laon ab 1205 und in Reims ab 1211 Großformen wie das Portalvor-
bild und den konstruktiven Wandaufbau im Inneren studiert und sich angeeignet
hat , während eine Tätigkeit in Auxerre um 1215 wahrscheinlich zur Zusammen-
stellung eines Teams von hervorragenden dort tätigen Steinmetzen , insbesondere
Spezialisten der vegetabilischen Kapitellplastik , geführt hat. Der Entwurf der Ca-
pella Speciosa stellte somit eine in Frankreich selbst hochaktuelle Gestaltung dar.
Die technische Ausführung sämtlicher Einzelheiten muss in den Händen franzö-
sischer Künstler gelegen haben , denn eine derart perfekte Materialbearbeitung ,
die Beherrschung bauplastischer Formensicherheit und die Bewältigung kompli-
zierter statischer Kräfteverhältnisse in der Skelettbaukonstruktion waren bis da-
hin in Österreich unbekannt.
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur