Seite - 229 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
Bild der Seite - 229 -
Text der Seite - 229 -
Wiener Hofburg – eine spätstaufische Kastellburg 229
Untersucht man dagegen die Zeugnisse der Architektur zur Regierungszeit Ot-
tokars II. Přemysl in Österreich , so ergibt sich ein ganz anderes Bild : Um das Jahr
1275 , welches die Continuatio Vindobonensis für den Baubeginn der Hofburg an-
gibt , sind weder in der Profanarchitektur noch im Sakralbau an Neubauten rund-
bogige Trichterfenster in der Art des Freilegungsfundes nachweisbar. Zur Zeit der
ottokarischen Herrschaft wies die Baukunst selbst im Profanbereich bereits fort-
schrittliche Maßwerkfenster auf. Die Stadttore der von Ottokar II. gegründeten
befestigten Anlage von Marchegg besitzen neben Fenstern dieser Art auch Sitzni-
schen mit Dreipassspitzbogen789. Die von einem Gefolgsmann Ottokars erbaute
Gozzoburg in Krems öffnet sich in großen Spitzbogenarkaden und in mehrteiligen
Fenstern zum Straßenraum und ist damit zu den fortschrittlichsten Werken ih-
rer Zeit in der Architektur Mitteleuropas zu zählen790. Wenn an Bauten der spä-
ten Regierungszeit Ottokars kleine Fensteröffnungen vorkommen , so besitzen sie
durchwegs Spitzbogenform und meist auch eingeschriebene gotische Nasen , so wie
das Fenster im Obergeschoss der Doppelkapelle im Kloster Zlatá Koruna ( Gol-
denkron )791 oder die Obergadenfenster der Stephanskirche in Kouřim792. Auf-
grund dieser Stilvergleiche ist auszuschließen , dass auf Befehl König Ottokars II.
in Wien , der größten Stadt im Machtbereich des Königs , eine Stadtburganlage
um 1275 mit einem so altertümli-
chen Fenster ausgestattet worden sein
könnte , wie es die freigelegte Rund-
bogenöffnung darstellt. Unschwer
lässt sich dagegen das freigelegte
Fenster auf das Jahr 1237 datieren.
Das zweite , noch viel entscheiden-
dere Kriterium für die Datierung des
Baubeginns der Wiener Hofburg ist
der Bautypus der Anlage. Wie Adal-
bert Klaar feststellte , stammen die
um den Schweizerhof gruppierten
mittelalterlichen Baureste von einer
ca. 50 × 55 Meter großen rechteckigen
Abb.
111 a und b : Freigelegte romanische
Fenster im Schweizertrakt der Wiener Hof
burg
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur