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44 KatharinaManderscheid
ton 2008; Paterson 2007). Automobilität ist insbesonderemit der ökonomi-
schenEntwicklungderNachkriegsäraverknüpft–seitderzweitenHälftedes
20. Jahrhunderts stellt das Auto neben demWohnen das Kernelement der
Konsumtionsnormdar, das hochgradigmit sozialemStatus undDistinkti-
onverwoben ist; gleichzeitiggehörtgerade inDeutschlanddieAutomobilin-
dustrie zudenEckpfeilernderWirtschaftsstruktur (Aglietta 1979: 159f.;Urry
2004).ZudemistAutomobilitätmitseinemfossilenAntriebeinzentralesEle-
mentdessen,was JohnUrry (2013: 36ff.) als »centuryofoil«beziehungsweise
»high carbon system« bezeichnet. Als spezifischesMerkmal des Automobi-
litätsdispositivs kanndie individualisierteHerauslösungundMobilisierung
derSubjekteund ihre selbstgesteuerteRaumüberwindunggesehenwerden,
diequasidasräumlichePendentzurgesellschaftlichenIndividualisierungals
HerauslösungausKlasse,ReligionundFamilie (Beck 1986)darstellt.
DieGeschichtedesAutosunddes automobilenDispositivs ist dabei im-
mer schon begleitet von seiner Kritik und verschiedenen Reaktionen dar-
auf (Canzler 2005).DieKritik richtete sich zuBeginnvor allemaufdieVer-
kehrsunfälle (Norton2008) unddieZerstörungdesöffentlichenStadtraums
(Feldtkeller 1994; Jacobs 1966;Mitscherlich 1965;Mumford 1961) sowie lokale
soziale Bindungen (Putnam 1995). Die Kritik an den ökologischen Auswir-
kungen ist ebenfalls nicht neu (Gorz 1977; Knoflacher 2009).Bislang konnte
sich das automobile Dispositiv immer wieder neu anpassen, insbesondere
durchpolitischeundtechnologischeMaßnahmen–beispielsweisedurchdie
EtablierungvonSicherheitsvorschriften imStraßenverkehrund inderFahr-
zeugtechnologie,durchpartielleVerkehrsberuhigungundGeschwindigkeits-
begrenzungen,durchdieEinführung vonKatalysatorenunddie Steigerung
der Effizienz derMotoren, durch Subventionierung der Autoindustrie bei-
spielsweise inFormderAbwrack-undKaufprämieetc.InwieferndiesesDis-
positivderzeit seinehegemonialeStellungverliert oder sichdenverändern-
denBedingungendurcheineElektrifizierunglediglichanpasst,werdeichim
Folgenden versuchen, genauer herauszuarbeiten. Zu diesemZweckwidme
ichmichdeneinzelnenElementendesDispositivsundzeichneknappderen
historischeGeneseundaktuelleEntwicklungsdynamiknach.AufdieseWeise
wirdvermieden,nureinzelneDimensionenwiebeispielsweiseMobilitätsbe-
dürfnisse oder Bewusstseinszustände der Individuen, veränderte Praktiken
ausgewähltersozialerGruppen,InteressenderAutomobilitätsindustrie,tech-
nologischeInnovationenoderpolitischeRahmenbedingungenzubetrachten.
Vielmehr soll versuchtwerden, die einzelnenDynamiken in ihremZusam-
menspieleinzuordnenunddarauseineEntwicklungsrichtungauszumachen.
Baustelle Elektromobilität
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Titel
- Baustelle Elektromobilität
- Untertitel
- Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Autor
- Achim Brunnengräber
- Herausgeber
- Tobias Haas
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5165-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 450
- Schlagwörter
- Auto, Elektromobilität, Transformation, Rohstoffpolitik, Wertschöpfungsketten, Verkehrswende, Bewegung, Autonomes Fahren
- Kategorie
- Technik