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52 KatharinaManderscheid
als Normalität. Die Durchsetzung des privaten Personenkraftfahrzeugs als
Massenverkehrsmittel und -konsumobjekt ist Teil undAusdruck der gesell-
schaftlichenIndividualisierungstendenz,diedieHerauslösungdesIndividu-
umsaussozialenundräumlichenZusammenhängenbezeichnet (Beck1986).
Paradigmatisch hierfür stehen die schulische Verkehrserziehung sowie der
Führerscheinerwerb, der immernoch als Initiationsritus zuBeginndesEr-
wachsenenalters gilt undquasi denEintritt in die (automobile)Gesellschaft
markiert.WieBeck(1986)gezeigthat,gehenmitdieserFreisetzungausräum-
lichenundsozialenKontextenimmerauchindividualisierteVerantwortungs-
zuschreibungenbeziehungsweiseRisikeneinher–dieGefahrdesScheiterns
von Berufskarrieren, Familien und Lebensarrangements, deren Lasten und
KostendemIndividuumüberantwortetwerden.Parallel dazufindet sich für
das Autofahren eine Risiko- undUnsicherheitsindividualisierung, vomPla-
nenderFahrten,wasBeurteilungenvonStraßen,Stauwahrscheinlichkeiten,
DistanzenundGefahren voraussetzt, bis hin zumBonus-Malus-Systemder
Autoversicherungen,dasdasRisiko vonUnfallbeteiligungenderVerantwor-
tungderEinzelpersonüberträgt.
Mit der E-Mobilität, sowie sie gegenwärtig diskutiertwird,werdendie
automobilenSubjektivierungeninweitenTeileneinfachfortgeschriebenund
in Verbindungmit aktuellen gesellschaftlichenDiskursenweiterentwickelt:
SokönnenE-Autosals einweitererTypusvonAutomobilengesehenwerden,
der jedoch mit einer neuen, im sozialen Raum relevant gewordenen Be-
deutung verknüpft ist, derDimensionökologischerNachhaltigkeit. Sighard
Neckel (2018: 60) verweist auf dieWahlverwandtschaft desNachhaltigkeits-
prinzips und des Mittelschichtshabitus, die sich empirisch beispielsweise
im Einkaufen im Bio-Supermarkt, des überdurchschnittlich vertretenen
Vegetarismus und Veganismus, der Carsharingmitgliedschaft sowie der
Parteienpräferenz fürdieGrünenniederschlägt.Gerade fürdieseSchichten,
in denen Selbstdisziplin, Planung und individuelle Verantwortung einen
besonderen Stellenwert haben, verspricht das private E-Auto, aber auch
Alternativen wie Carsharing, E-Bike oder Kombinationen von Aktiv- und
öffentlichemVerkehr sozialeDistinktionsgewinne und grenzt insbesondere
gegenüber dem »plebejischen Geschmack« der unteren Schichten (Neckel
2018: 66ff.) und Bewohner*innen peripherer ländlicher Gebiete ab. Private
E-Mobilität schließt zudemperfekt an die Logik der Individualisierungder
Klimapolitik alsTechnologiedesSelbst an,dieüberden»ökologischenFuß-
abdruck«(Paterson/Stripple2010;Wackernagel/Rees1996)dieVerantwortung
für ökologische Folgen quasi der (klima-)rationalen Entscheidung des in-
Baustelle Elektromobilität
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Titel
- Baustelle Elektromobilität
- Untertitel
- Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Autor
- Achim Brunnengräber
- Herausgeber
- Tobias Haas
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5165-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 450
- Schlagwörter
- Auto, Elektromobilität, Transformation, Rohstoffpolitik, Wertschöpfungsketten, Verkehrswende, Bewegung, Autonomes Fahren
- Kategorie
- Technik