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144 WeertCanzlerundAndreasKnie
aber dieOberaufsicht sowie auchdieGenehmigungüber alle Linien, Tarife
und sonstigen Bedingungen vor. Damit haben die Unternehmen, die Teil
dieser staatlichenDaseinsvorsorge sind, zwar eine auskömmliche Perspek-
tive, dafür sind aber die Kernelemente der Leistungserbringung gleichsam
eingefroren. EinewettbewerblicheDynamikwar und ist in diesemSystem
nicht vorgesehen. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) erfüllte
jahrzehntelang nur eine Ersatz- und Überlauffunktion für die Automobil-
gesellschaft. Es sollte ganz bewusst keine Konkurrenz zum eigenen Auto
aufgebautwerden.WievielMenschenimÖPNVunterwegswaren,galt inden
1950er und 1960er Jahren keineswegs als Ausweis einesmodernen Staates,
eher war das Gegenteil der Fall. Hohe Fahrgastzahlen wurden als Zeichen
gesellschaftlicherRückständigkeit angesehen.
Nachdemhinlänglich Fernstraßengebaut unddie Innenstädte zuTran-
siträumen umfunktioniert, alle Neubautenmit Stellplätzen und genügend
Erschließungsstraßenausgestattetwordenwaren,zudemdieNutzungeines
KraftwagenssteuerlichineinemMaßegeltendgemachtwerdenkonnten,die
höher alsdie tatsächlichenKosten lagen, stiegendieZulassungenvonAuto-
mobilendeutlichan.Mitteder1960erJahreerreichtensieinWestdeutschland
erstmals internationalesNiveau, 1965waren knapp 9,3MillionenPersonen-
kraftwagen (PKW)zugelassen.
DieMachteineserfolgreichenNarrativs
Hinter all diesen Maßnahmen stand immer das gleiche »Narrativ«: der
Traum vom eigenen PKW, der das glückliche Idyll privater Lebensformen
unterstützt. Dieses Leitbild fiel offenkundig auf einen fruchtbaren Boden.
Nur so konnten die teilweisemit brachialer Gewalt vorgenommenen städ-
tebaulichen Zurichtungen im Geist der »autogerechten Stadt« begründet
undauchweithinakzeptiertwerden.Esgingumeineoffenkundigattraktive
Geschichte des eigenenAutos und einer glaubhaftenHoffnung auf diema-
terielle Hinterlegung dieser Story. Und dies nicht nur in Deutschland und
Europa.VorbildwarendieUSA,dortwurde schon früherder eigeneWagen
zueinemelementarenTeildesTraumesvonderFreiheit stilisiert.
Das eigene Auto war – und ist für viele bis heute – Teil eines gesell-
schaftspolitischen Versprechens. Das erfolgreiche »Programm zur Auto-
selbsterziehung« zeichnete sich zusammengefasst durchdreiKernelemente
aus:Zumeinengabeseben jenesNarrativ,dasattraktivunderstrebenswert
war unddas vor allenDingen auch als erreichbar galt. Es handelte sichum
Baustelle Elektromobilität
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Titel
- Baustelle Elektromobilität
- Untertitel
- Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Autor
- Achim Brunnengräber
- Herausgeber
- Tobias Haas
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5165-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 450
- Schlagwörter
- Auto, Elektromobilität, Transformation, Rohstoffpolitik, Wertschöpfungsketten, Verkehrswende, Bewegung, Autonomes Fahren
- Kategorie
- Technik