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Der Großglockuci und da« Wieölachhoni. 5
ich denn, von Fuscherhans geleitet, die meinem Nachtlager, dem Tauern-
Haufe Ferleiten, gegenüber vun dem rechten Ufer der Ache an als Qst-
wand des Fuscherthales steil aufwärts ziehenden Wiesen des Kiih-
maißes hinan.
In den Azur des wolkenlosen Firmaments ragten alle jene
Gletscherspitzen empor, welche vom Brennkogel bis zmn hohen Teini
im Halbrunde den grünen Teppich des mit ihren Wasserfallen und
Eisabsturzen geschmückten Fuscherthales in so herrlichen Gestalten um-
stehen, daß sie, nicht als die fabriksmaßig gebrauchte Phrase des Neise-
beschreibers, fondern als der Ausdruck der innigsten Ueberzeugung sei
es gesagt, in ihrem Vereine ein Bild von solchem Reize geben,
daß nur wenig ähnliche im weiten Umkreise der Alpen gefunden werden
können. DaS rosige Morgenlicht verbrämte ihre Eistalarc und die
Sonne ließ denselben auch den Schmuck des Goldes nicht lange fehlen,
Ich schwelgte in der Bewunderung der zaubervollen Formen
dieser jetzt mit allen ihrm Glctscherklüften und den Pyramiden ihrer
Eiöabstürze sichtbaren, ringsum aus dem Eiögebiete des Gloßglockners
sich erhebenden Berge und des aus der Tiefe freundlich heraufblickenden
Tauernhauses Ferleiten. Da stieg plötzlich über dem Fuschereiskar
der Großglockner empor und selbst seine größere Entfernung und sein
Auftauchen in einem Bilde, das fchon in sich selbst den Charakter des
Vollendeten, nichts mehr zu wünschen Uebriglassendm trägt, war nicht
günstig, ihm eine große Anerkennung zu verschaffen.
Als ich ihn jedoch nach einigen Stnndcn von der Spitze des
Schwarzkopfes wieder sah, hatte sich die Scene wesentlich geändert.
Jetzt erschien cr nicht mehr als ein Eindringling in ein schon früher
abgeschlossenes Ganzes: er erhob sich als der Gewaltigste unter den
Gewaltigen und alle Berge in seiner Nähe, so hoch auch einige von
ihnen emporragten, schienen nur nm ihn als die Hauptgestalt aus der
Gruppe geschaart.
Jede Verstimmung wegen des für's Erste mißlungenen Lieblings-
planes der Wiesbachhorn-Ersteigung, Ware sie je vorhanden gewesen,
würde schon längst vor der Weihe gewichen sein, wie sie ein so rei-
zender Morgen in Mitte der gewaltigsten Gletscheruatur uns verleiht.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918