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Ersteigung des Gioßglockners. 23
an diesen und jenen Berg gehängt, auch hatte der Wind einen ungün-
stigen Zug genommen, und es war fast gewiß, daß das schöne Wetter
nicht mehr lange anhalten werde.
So mußten denn bei der vorgeschrittenen Tageszeit die Vor-
bereitungen zur Glocknerreise unuerweilt getroffen werden. Querst han-
delte es sich darum, gute Führer Zu gewinnen. Mein Reisegefährte
über die Pfandlscharte beabsichtigte nicht die Glocknerersteigung mit-
zumachen, und ich konnte ihm darin nur vollkominen Necht geben. Nicht
bloß daß seine Bekleidung und Beschuhung nicht für ein solches Unter-
nehmen geeignet waren, so war auch trotz seiner wackern Haltung auf
dem Wege über die Pfandlscharte zu besorgen, daß ihm, dem Unge-
übten, nach der Ermüdung des Vormittags, ein Marsch noch an dem-
selben Tage auf die Alpe, dann nach kaum ein paar Stunden Rast
auf eine 12.000 Fuß hohe Spitze zu anstrengend sein werde. Ich
war also bei dem Unternehmen allein und halte mit zwei Führern
genug. Die Herren von Nainer und Koller hatten mir erst vor ein
paar Tagen in Zell am See ans eigener Erfahrung Liendl als beson-
ders tüchtigen Glocknerführer aneniftfohlen, und ich ersuchte deßhalb
den Wirth, mir diese Heiligmbluter Größe sogleich zu rufen.
Bald fah ich einen mittelgroßen stämmigen Mann, mit einem
ganz aufgeweckten, fast pfiffigen Ausdrucke im Gesichte, in kurzer brauner
Jacke, den kleinen Strohhut auf dem Kopfe, sich dem Oasthause nähern;
er gab sich mir alsbald als Liendl zu erkennen und erklärte mir seine
volle Bereitwilligkeit, mir als Führer zu dienen.
Eine kurze Besprechung einigte uns über den Führerlohn für
ihn selbst und den zweiten Führer, dessen Wahl ich ihm überließ, und
über das Mitzunehmende an Lebensmitteln und anderem Gerathe,
das er besorgen sollte. Liendl versprach meinen Auftragen genau nach-
zukommen und sich zwischen 4 und 5 Uhr mit dem zweiten Führer
zum Aufbruche auf den Berg im Gasthause einzusinden.
Meine eigenen Vorbereitungen zur Besteigung waren in wenig
Minuten getroffen, denn außer dem Allernothwendigsten an Wäsche
und Kleidung hatte ich nur das Fernrohr, Thermometer, den Kompaß,
dann einige Landkarten zur Mitnahme vorzurichten.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918